Mittwoch, 14. Oktober 2015

P13 – Pfirsich, Pflaster etc.




Pfirsich. Erfunden haben die Chinesen den Pfirsich. Das heißt natürlich, nicht erfunden, sondern aus einer Minifrucht großgezüchtet. Dann haben die Perser ihn gestohlen, und anschließen die Griechen, die ihn Melon Persikon nannten, persischer Apfel, und daraus ist dann Pfirsich entstanden. Je weiter er nach Westen kommt, desto eher wird dann sein Name zerdätscht, siehe Peach. Eigentlich schade, daß ich nie Früchte esse, noch nicht mal einen Apfel, sondern es höchstens als Eis, Konserve, Marmelade oder Saft zu mir nehme. Oder notfalls noch als Likör. Apropos. Da war doch etwas. Genau! Persiko! In den Siebzigern! Allerdings war das überraschenderweise kein Pfirsichlikör, sondern ein Kirschlikör. Und das kam so: ursprünglich wurde Persiko aus Pfirsichkernen, Kirschkernen, Pfirsichblättern, Mandeln und was sonst noch so herumlag, zusammengebraut. Relativ stellte sich dann aber heraus, daß Kirsche am leckersten ist, und dabei blieb es. Persiko hatte eine kurze, steile, aber vor allem sehr kurze Karriere als Getränk für „Jugendliche und Discogänger“ (wikipedia) und verschwand darauf im Dunkel der Alkoholgeschichte. Bis heute! Ich scheue ja keinen Einsatz für Brockhaus und für euch! Ich habe eine Flasche Persiko (er heißt heute: Persico) gekauft. Hier:

Es gibt ihn tatsächlich noch. Persiko.


Keine Ahnung, ob er auch früher auch schon aussah, oder ob die Fa. Hardenberg ihn zusammengerührt hat. So, geht es los. Jetzt habe ich mir einen eingekippt. Stilecht im LEIBWÄCHTER-Glas, auch ein Schnaps aus Brockhauszeiten. Ich habe bestimmt mehr als dreißig Jahre keinen Persiko getrunken. Vielleicht passiert mit mir so etwas wie bei Marcel Proust, ein reminiszentes Feuerwerk, nur nicht mit Gebäck, sondern mit Likör, und mir fällt plötzlich ein viertausend Seiten langer Roman ein. So. Jetzt probiere ich.





Gar nicht so schlecht. Sehr säuerlich am Anfang, dann kirschig, und ziemlich süß im Abgang, genau, nach Mandel schmeckt er. Ob mir jetzt ein Roman eingefallen ist? Hm. Lange Zeit bin ich spät trinken gegangen. Oh, jetzt weiß ich, wie ich euch den Geschmack besser beschreiben kan. Als würde man Mon Cherie nicht essen, sondern zerstampfen und auflösen und sich wie Heroin spritzen. So geht Persico. Er paßt natürlich auch hervorragend zu den „Jugendlichen und Discogänger“ der Siebziger. Persico ist schlechthin der Boney M.-Likör. Genau, mit dem Opel Kadett in die Disco fahren, Daddy Cool, Lichtorgel und Persico. Ich müßte mal meine Schwester fragen, die hat das richtige Alter. Ich habe wahrscheinlich auf Familienfesten mal ein halbes Gläschen trinken dürfen. Ich höre übrigens nebenbei Boney M. Es ist noch genau so grauenhaft wie damals. Die zeitgleichen Abba sind mittlerweile cool geworden, aber Boney M, das ist wirklich hoffnungslos. Und warum hat eigentlich damals niemand gehört, daß die Männerstimme von Frank Farian ist?

Pflaster. In Dortmund, auf dem Westenhellweg, stand früher ein Einbeiniger, mit Brille und schütterem Haar, und hat unentwegt Heftpflaster angepriesen, mit schnarrender Stimme.„Pflaster! Pflaster! Ein Meter! Eine Mark!“ Ich habe nie jemanden gesehen, der ihm einen Meter abgekauft hätte. Und ich fand es auch leicht eklig, denn der Typ sah ein wenig so aus, als würde er nicht gut riechen. Und nachts auf seinen Pflastern schlafen. Igitt. Wahrscheinlich tue ich ihm sehr unrecht, dem Pflasterlandstreicher. Mit „Kautschukpflaster“ meinen sie übrigens ganz einfach Leukoplast, das es schon seit 1921 gibt. Ich habe gerade meine Leukoplastrolle aus der Küchenschublade entnommen und erschrocken festgestellt, daß Leukoplast mittlerweile „Hansaplast Classic“ heißt. Was für ein Quatsch.

Pflaume. Soll ich jetzt eine Flasche Slivovitz kaufen? Wikipedia erzählt übrigens, daß früher einmal Damaskus das Zentrum des internationalen Pflaumenhandels war. "Zwetschgen" soll aus "Damaszener" entlehnt worden sein. Was phonologisch ein ziemlich weiter Weg ist, finde ich. Schön wäre es allerdings, würde man sich heutzutage in Damaskus wieder mehr um Pflaumen und weniger um anderes kümmern.




2 Kommentare:

  1. Ein großartiger Beitrag! Vielen Dank!
    Ich habe so gelacht! Nur wenige kennen den Pflastermann. Übrigens legendär verewigt in Helge Schneiders autobiografisch angehauchtem Film "Jazzclub - der frühe Vogel fängt den Wurm" verewigt.
    Und a propos - Leukoplast gibt es immer noch! Unter Anästhesisten gilt die Regel, dass man mit braunem Pflaster (= Leukoplast) quasi jede Krankheit der Welt heilen kann. Es kommt nur auf die Menge an ;-)
    Auf Krankenhausparkplätzen sieht man häufig das Phänomen der mit Leukoplast reparierten Autos. Autospiegel, Tankdeckel... kann man alles super damit kleben.
    Präklinisch wird ein Endotracheltubus oft mit dem sgn. Thoomas-Holder festgemacht. Ich mag den nicht. Der Tubus knickt ab, das Ding ist sperrig. Ich klebe wenn es drauf ankommt immer mit vier Lagen braunem Pflaster. Das hält selbst bei strömendem Regen.
    Vielen Dank für diesen schönen Beitrag und auch die ganzen anderen Beiträge! Darauf einen Persico,

    der Narkosedoc

    AntwortenLöschen
  2. Und wie es der Zufall will ... Habe ich vor einer Woche Pflaster am Westen Hellweg gekauft, für 3 € beim dänischen Killefitladen (Tiger), wegen der schicken kleinen Dose, die drumrum war.

    AntwortenLöschen

Manchmal hat es Probleme mit der Kommentarfunktion gegeben. Bitte dann eine Mail an joachimgoeb@gmail.com Danke