Freitag, 10. November 2017

Z12 – Zirkus – Viertletzter Post



Zirkus. Der hier abgebildete Zeltzirkus ist eine recht junge Erfindung, die erst Ende des 19. Jahrhunderts aufkam. Vorher war man darauf angewiesen, geeignete Häuser zu mieten, was natürlich schwierig war. Außerdem wurde die Transportlogistik besser. Und die Zelte (der alphabetische Zufall bindet Zelt in der letzten Lieferung an den Zirkus) wurden nahezu ausschließlich von einem einzigen Hersteller zusammengenäht, der Firma Stromeyer, die es in Radolfzell am Bodensee immer noch gibt.
 
Als Blütezeit des Zirkus gilt das erste Drittel des letzten Jahrhunderts. In den Fünfzigern setzte ein sehr langsames, aber unaufhaltsames Sterben ein. Zirkusse sind Familienunternehmen. Insofern wundert mich die Wikipedia-Zahl, daß heute noch 300 Zirkusunternehmen durch das Land reisen. Erstaunlich. Und dann knüpfen sie ihre Reklame an jedem Zaun. Übrigens weit gefehlt, das geschehe anarchistisch oder einfach so. Für Berlin gilt etwa: „Beim Aufstellen von Zirkuswerbetafeln (max. DIN A0) auf dem öffentlichen Straßenland handelt es sich um eine Straßenlandsondernutzung. Der Zirkus ist verpflichtet, eine Sondernutzungserlaubnis zu beantragen.“

Übrigens hat praktisch kein Zirkus eine Webseite. Es ist sozusagen analoge Unterhaltung. Man kann die Darbietungen strukturieren: a) Artistik b) Dressur c) Clown. Als Kind habe ich die Serie Salto Mortale geguckt, die ich übrigens ziemlich langweilig fand. Dort ging es eigentlich nur um diese Trapezgeschichten. Der Chef der Trapeztruppe war Gustav Knuth. Dazu fällt mir ein, daß Gustav Knuth ein hundertprozentiger Garant für langweilige Filme, Serien, Sendungen war. Ein Salto Mortale war ein dreifacher Salto, und den konnte nur Hans-Jürgen-Bäumler. Da fällt mir auf, der Bäumler hat ja eigentlich nur die Drehrichtung geändert, beim Eiskunstlauf ist er um die Längsachse gedreht, und beim Salto Mortale jetzt um die Querachse. In den Fünfzigern gab es auch schon Dreifachsprünge bei den Herren bei Olympischen Spielen, aber der Bäumler hat das nicht hinbekommen, denke ich. Der hat eher die Marika Kilius durch die Gegend geworfen. Bei Salto Mortale konnte er aber dann seine Dreifach-Fantasien zumindest in der Rolle ausleben. Salto Mortale statt Salchow Mortale, sozusagen.

Eigentlich denkt man ja, der Flieger hat den schwierigen Job, aber das stimmt gar nicht, entscheidend ist der Fänger, der kopfüber am anderen Trapez hängt usw. usw. usw. Zumal ich auch erst viel später kapiert habe, daß die Schwingungsdauer des Trapez nur von seiner Länge abhängt, also gleich lange Trapeze in exakt in der gleichen Frequenz schwingen.

Noch langweiliger als die Artisten waren die Dressurnummern. Mich beeindruckte es kein bißchen, wenn drei Tiger auf drei Setzstücken (das Wort kommt aus der Illustration hier!) sitzen oder über eine Wippe laufen. Ich fand es einfach unbeeindruckend, wenn Tiere etwas konnten, das jeder Dreijährige auch könnte.

Den Clown hingegen fand ich schon als Kind albern und wenig witzig. Mir schien es unlogisch, einfach eine blöde Idee, den witzigen Mann bunt anzumalen, in zu große Schuhe zu stecken und dann sollte es lustig sein. Ich hatte nie eine Coulrophobie (den Begriff gibt es wirklich!), aber sie sind einfach nicht witzig. Mittlerweile gibt es ja hauptsächlich therapeutische Clowns, die den Versehrten, Gezeichneten und Hoffnungslosen ein Lächeln auf das Gesicht zaubern sollen. Es gibt sogar ein Institut für Clownpädagogik: „Dieses Seminar richtet sich an fortgeschrittene Clowns, die eine ClownBasis Fortbildung im ClownWerk oder auch eine vergleichbare Clownfortbildung absolviert haben.“ Nun, die kennen wir ja alle, die Leute mit vergleichbarer Clownfortbildung.

Aber ihr merkt schon: ich bin nicht gerade Freund Nr. 1 des Zirkus. Als ich sehr, sehr klein war, gastierte einmal ein Zirkus in unserem Vorort. Ich zermartere mir das Hirn, wo er das Zelt aufgeschlagen hat. Es könnte auf der Wiese hinter der Kirche gewesen sein. Aber war das nicht viel zu klein? Oder unten an der Grundschule, wo später der Kindergarten hingekommen ist. Ich weiß es einfach nicht mehr. Bestimmt war ich noch nicht in der Schule. Ich bin mit meiner Schwester hingegangen. Es gab kein Trapez. Dafür war der Zirkus viel zu klein. Es gab auch keine Raubkatzen, das wäre viel zu gefährlich geworden. Ich glaube mich an einen alten Bären erinnern zu können. Und natürlich gab es einen Clown, denn ohne Clown, da geht es im Zirkus nicht. Aber toll habe ich es nicht gefunden. Außerdem hat es draußen nach Tieren gerochen.

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