Zirkel. Diesen alten Zirkelkasten der Fa. Riefler hab ich
von meinem Vater geschenkt bekommen. Neben dem normalen Bleistifteinsatz gab es
auch Aufsätze für Tusche. Ich hab das dann auch ausprobiert, man hatte ja
Tusche auch für den Kunstunterricht. Das war aber nur eine riesige Sauerei.
Der Nullenzirkel ist übrigens ein Zirkel mit Feder und
einer verstellbaren Achse. Man kann damit Kreise mit Durchmesser von 0,1mm bis
15mm zeichnen. Erfunden hat ihn 1874 Emil Oskar Richter, der später mit der
Firma Richter-Reißzeug in Chemnitz extrem erfolgreich wurde. Später wurde
daraus die VEB Polytechnik in Karl-Marx-Stadt, die tatsächlich den einzigen
Arcade-Spielautomaten der DDR baute, den Polyplay, ein Pacman-Klon. Später ist
sie dann in der Wiedervereinigung verglüht.
Zitrone. Die Zitrone kommt natürlich aus Italien. Die
Medici liebten die Zitrone ganz besonders und haben im 16. Jahrhundert in der
Villa Medici de Castello in Florenz einen Zitrusfrüchtegarten angelegt, der
noch heute existiert. In dieser Zeit sind die Zitrusfrüchte auch in die
italienische Küche gesickert. Etwa nach Rom, zum berühmtesten Koch der
Renaissance, den Lombarden Bartolemeo Scappi. Er hat über vierzig Jahre lang für
sechs Päpste gekocht, mochte allerdings keine Zitronen und hat immer nur Apfelsinen
benutzt, wie seinem 1570 erschienenen Kochbuch „Opera“ zu entnehmen ist.
Gegenwart: Julia hat einen Zitronenbaum. Sie schreibt
mich an: „Ich bin mir nicht sicher, ob Du weißt, dass wir ein Zitronenbäumchen
haben. An diesem Bäumchen wächst seit 2 Jahren eine Zitrone, die immer schöner
geworden ist. Cornelius möchte sie nun bald ernten. Mäxchen auch. Und Klara
sowieso. Man kann nun aber nicht einfach zum Bäumchen laufen, die Zitrone
abreißen, aufschneiden und in den Tee drücken.“ Und hier das Foto von Julias
zweijähriger Zitrone, umlauert von drei zitronengierigen Kindern und einem
Königspudel:
Ob ich denn vielleicht ein zitroniges Rezept zur Hand
hätte? Ich habe allerdings überhaupt keine Ahnung von der Zitronenküche. Aber
schließlich bin ich ein Erbe des ersten Fernsehkochs Clemens Wilmenrod (schaut
doch mal, eine der ersten Einträge im Blog, A16). Wilmenrod erfand mit
Karl-May-Phantasie die dollsten Geschichten um seine Rezepte. Unvergessen, wie
er eine Schwäbische Hackfleischpfanne mit Meerrettich in sein Arabisches Reiterfleisch
verwandelte, mit dazugelogenen Geschichten über Kamelreiter am Lagerfeuer.
Und dann ist der große Tag gekommen. Wir lutschen
Zitronenbonbons, die Kinder schneiden Zwiebeln und heulen, und ich würze den
Braten mit meiner gewürztechnischen Geheimwaffe.
„Gewiß. Brathähnchen-Gewürzsalz gibt es seit der
Bronzezeit.“
Der Lombardische Zitronenbraten ist eines dieser schönen
Rezepte, bei denen man erst eine halbe Stunde Arbeit und Streß hat, aber dann
muß der Ofen lange seine Arbeit tun, und das macht er dann auch. Und dann wird
es tatsächlich lecker. Wirklich. Selbst das Klärchen will noch einmal
Nachschlag. Anschließend gibt es eine tolle Zitronen-Mousse, die das Mäxchen
gemacht hat. Ein chilenisches Rezept, berichten sie, mit Dosenmilch. Chilenen seien
nämlich absolut versessen auf Dosenmilch, und die gesamte chilenische Küche
würde auf Dosenmilch beruhen. Oh, das wußte ich ich noch gar nicht. Auf der
Rückfahrt fällt mir aber ein: da haben sie mich wilmenrod-mäßig verkohlt! Dosenmilchsaufende
Chilenen, das gibt’s doch gar nicht.
---
Und vor der feierlichen Ernte der Zitrone (Cornelius
schnitt sie mit einer Schere vom Baum, Klärchen hielt ein Tablett darunter) hatte
Mäxchen eine Rede über Zitronen geschrieben und gehalten. Sie schlug einen
weiten Bogen vom Gestaltzerfall beim Zitrone-Sagen über Zitroneneisessen bis hin
zu Zitronenträumen, und dann schloß sie mit den Worten:
Ja, da hat das Mädchen verdammt recht.
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