Man hat nicht die geringste Ahnung, woher der Jojo kommt.
Geradezu abenteuerlich ist die Streuung in den vermuteten Herkunftsländern:
Griechenland, die Phillipinnen, China. Es gibt Abbildungen vom Yo-Yo (bleiben
wir einmal bei der Schreibweise) auf antiken griechischen Vasen.
Schauen wir einmal in Meyers Konservationslexikon von
1905:
Was für eine hübsche Beschreibung! Und es ist das
„vornehmste Straßen- und Fensterspielzeug“. Die Ausgabe von 1888 ergänzt Es war
1790-94 in Frankreich und dann auch in Deutschland so beliebt, daß die
vornehmsten Personen damit auf Spaziergängen spielten. Also schon zu Meyer-Zeiten
ist es nur 100 Jahre alter heißer Scheiß, und wird lustigerweise „schuhuh“
ausgesprochen. Siegfried Kracauer berichtet 1932, daß es wieder in
französischen Seebädern in Mode geraten ist. Die nächste Konjunktur des Jojos
findet Mitte der Sechziger Jahre statt; ich denke, da habe ich ihn auch
kennengelernt, aber mich als ziemlich untalentiert erwiesen.
Dann wieder kommt der Jojo in den Nullerjahren. Die erste
Weltmeisterschaft findet 2008 statt. Allerdings gibt es jetzt technischen
Fortschritt: durch den Einbau von Kugellagern und Getrieben werden die Geräte
komplexer: es gibt beispielsweise den Schläfer-Trick, bei dem Jojo scheinbar
vor sich hin baumelt, dann aber durch einen kleinen Ruck wieder die Schnur
emporläuft. Das sind natürlich rein mechanische Innovationen – das einzig
Elektronische am Jojo sind irgendwelche Lichter, was aber nur Zierrat
darstellt. Interessant sind die Abstände, mit denen der Jojo in Mode gerät. Es
gibt sozusagen einen Jojo-Effekt in der Jojomode. Seit 1900 scheint sich ungefähr
ein Zyklus von 30 Jahren zu etablieren. Das ist eine Art kultureller
Wiederholungsgeschwindigkeit und entspricht – ich mag nicht beurteilen, ob das
Zufall ist oder nicht, den Abstand einer Eltern-Kinder-Alterskohorte (im
Durchschnitt. Wenn Mütter immer älter würden, dann müßte sich die
Wiederholungsgeschwindigkeite verlangsamt haben). Aber auch wenn die technische
Weiterentwicklung rein mechanisch ist – was sich geändert hat, ist die
Kommunikation und Distribution des Jojo-Knowhows und die Schaffung weltweiter
Arenen. Selbst ein Zauberwürfel war nach 1981 auf Schulhofpropaganda angewiesen
und auf den SPIEGEL (zur Verbreitung der Lösung). Der digitale Schulhof ist
heutzutage 149 Mio. qkm groß. Wenn ein japanischer Jojospieler einen neuen
Trick erfindet, ist das in der Szene am selben Tag bekannt. Früher konnten sich
kaum Szenen bilden, weil es gar keine medialen, selbstbedienten Echkokammern
gab. Auch die weltweite Ansteckungsgeschwindigkeit ist viel höher – die Welt
brennt wie Zunder, wenn es Jojos, Fidget Spinner etc. gibt. Man müßte einmal
eine kulturelle Epidemiologie schreiben.
Xylophon. Am Ende vom X, da ist das Xylophon. Ich fand
das schon als I-Dötz bemerkenswert: Das X war, zusammen mit dem Y, sozusagen
die beiden Verlierer in der Buchstabenklasse. Und im Xylophon-Wort stehen sie
sozusagen in der Ecke des Pausenhofs wie lächerliche Loser und kauen auf ihrem
Leberwurstbrot. Eigentlich müßte sich das Q auch noch dazugesellen. Alle drei
zusammen kommen nicht auf 0,1% (das E, der Klassenstar, liegt bei 17,40%) des
Gesamtvorkomen. Im Englischen ist das x immerhin bei 0,15%, im Französischen
sogar das Doppelte, ja und das y liegt sogar vor p und b. Im Polnischen liegt
das y sogar bei 3,2%. Im Italienischen gibt es das y gar nicht.
Apropox Pausenhof. Ich war gestern tatsächlich auf dem
alten Pausenhof verabredet, das erste mal seit über dreißig Jahren. Maike kam
so pünktlich wie damals zur zweiten Stunde. Die Schule war früher ein häßlicher
grauer Betonblock und ist jetzt ein häßlicher türkisgrauer Betonblock. Man hat
einen Kiosk dort eingerichtet, wo früher die Schulbibliothek war. Die
Tartanbahn, einst Stolz der Sportlehrer, ist total abgerockt, und man kann kaum
noch die Laufbahnen ausmachen. Auf der einen Seite des Sportplatzes fehlt das
Tor, und mir ist nicht ganz klar, wie man da Fußball spielen soll.
Wir gingen um das Gebäude und waren uns nicht einig, wo
der Musikraum früher gewesen war. Als wir Sextaner waren (sagt man das heute
eigentlich noch?), waren wir der erste Jahrgang in dem neuen Gebäude. Seitdem haben
mehr als drei komplette Kohorten dort Cosinus und Caesar, Osmose und Ohmsches
Gesetz gelernt.
Sportplatz, Bäume, Wolken |
Dann erwischte uns die Hausmeisterin. Sie war aber sehr nett,
die Frau Klos, und wir durften sogar die Aula angucken. Früher war die Schule
allerdings viel, viel größer und ist in den letzten 30 Jahren geschrumpft. Jedes
Jahr werden alle Schüler fotografiert und die Köpfe auf ein riesiges Poster
gedruckt. Wenn dann ein unbekannter Schüler etwas ausgefressen hat, kann ein
Zeuge dann den Halunken auf dem Poster identifizieren. So ähnlich wie ein
RAF-Fahndungsplakat. Dann fragten wir nach Lehrern. Einige, die zu unseren
Zeiten gerade Referendare waren, gehen jetzt in Pension. Wir gingen durch den
Lehrerflur, und ich hatte auch wieder mein leichtes Lehrerflurunwohlsein. Der
Lehrerflur war ja der einzige Gang, durch den man nicht laut herumrufend
durchrennen konnte. Es war ohnehin kein gutes Zeichen, im Lehrerflur zu sein. Dann
durften wir noch die Eingangshalle sehen, die viel kleiner war als in der
Erinnerung. Aber so ist das manchmal. Die Dinge werden größer in der
Erinnerung, oder man selbst ist gewachsen, oder die realen Dinge schrumpfen. Schön
war es. Seltsamer Ort, neun Jahre meines Lebens, und es hat dort
so viel angefangen, eigentlich alles.
So toll....
AntwortenLöschenIch bin vor Monaten (auf der Suche nach iegendwas anderem) in die Fänge Ihrer Seite gekommen. Seitdem lässt sie mich nicht mehr los. Warum?
Beste Grüße aus Halle/Saaler, einst Leverkusen, *1962