Wand. Links unten gibt es einen „Ölsockel“ – das heißt
deswegen so, weil sie Ölfarbe gestrichen werden. Das war ja so üblich in
Kneipen und in Treppenhäusern. Stimmt, wo ich jetzt sehe – ich habe das mal
nachgeschlagen, das macht kein Mensch mehr heute. Und früher hat man es
gemacht, weil die Leute so fürchterliche Ferkel gewesen sind. Ich habe
nachgelesen, daß ihn Gaststätten Ölsockel gemacht wurden, weil die Leute immer
mit ihren Stuhllehnen gegen die Wand gewumst sind. Früher war alles schlechter,
ganz klar.
Tapeten: das ist natürlich ein kuhles Thema. Wobei ich jetzt
einmal ganz stark unterstelle, daß die Tapete ihre große Zeit hinter sich. Ich
meine jetzt die farblich gemusterte Tapete, nicht die allgegenwärtige
Rauhfaser. In meinen eigenen Wohnungen habe ich jedenfalls noch nie in meinem
Leben eine gemusterte Tapete gehabt. In meiner Kindheit sah das natürlich ganz
anders aus. Ich habe mal in alten Fotoalben nachgeschaut und kann euch deshalb
einige Fotos aus meiner Tapetenkarriere präsentieren:
Das bin ich, nackt. Das Foto ist in der Küche
aufgenommen. Gut zu sehen, wie ich mich an das Stoffliche festhalte.
Lustigerweise hat das Handtuch alle Zeitläufte überlebt und liegt hier im
Schrank. Aber wieder zur Tapete. An das Muster kann ich mich nicht mehr
entsinnen, - obwohl, wenn ich es jetzt noch mal vergrößere, gab es gerade auf
dem Grund der verlorenen Zeit einen ganz sachten Widerhall. Aber keine Ahnung,
wie weit Tapetenerinnerung zurückreichen kann. Das ist psychoanalytisch auch
wenig erforscht, fürchte ich. Tapetenneid. Rauhfaser-Komplex.
Gut in Erinnerung ist mir die Küchentapete so ca. 8 Jahre
später:
Viel Tapete, ein wenig Joachim |
Das war ein Mischung aus floralen Elementen, abstrakten
Bildern und mühlenartigen Gebilden. Als Kind hat man ja Zeit, ihnen mit dem
Finger nachzufahren und sich dazu alles Mögliche auszudenken. Insbesondern
faszinierte mich das Phänomen der Wiederholung auf den Mustertapeten, sowohl
von oben nach unten als auch von links nach rechts. Bei diesen Mustertapeten
war das Verkleben deshalb auch so schwierig, weil man die Anschlußstück ja
genau verkleben mußte. Bei kompletten Bahnen war das nur ein vertikales
Problem, da die Bahnen horizontal genau gleich waren. Trotzdem habe ich dann
mit dem kleinen Finger immer den vertikalen Versatz gesucht. Ihr seht, wie ich
damals drauf war. Nur wenn es in die Ecke ging, hatte man dann ein horizontales
Anschlußproblem (ihr seht das rechts neben meinem Kopf in der schrägen Ecke).
Auch hier ganz gut zu sehen:
Ich, Kinderzimmertapete, Reinhard, Pistole, Fallerbahn
|
Das ist übrigens mein Vetter Reinhard, der hier schon
diverse Male erwähnt wurde und hier sogar bewaffnet ist, weil gerade
Weihnachten ist. Das Foto ist in meinem Zimmer aufgenommen. An die Tapete kann
ich mich auch erinnern, ein blaßfarbenes Karo. Zu meinen Füßen eine
Abschußvorrichtung einer Fallerbahn. Was eine Fallerbahn ist? Nun, stellt euch
den Vor-Vor-Vor-Gänger von Pokemon vor, nur eben als Rennbahn für
Matchboxautos.
Im Wohnzimmer wurde nicht so heftig gemustert, sondern
stattdessen vornehm strukturiert. Hier unsere Wohnzimmertapete, ebenfalls
Anfang der Siebziger. Daran war natürlich toll, das man dem erhabenen Muster
mit dem Finger nachfahren konnte. Natürlich durfte ich das nur mit sauberen Pfoten.
Tapete, Blume, Wohnzimmerschrank
|
Ein Stockwerk tiefer, bei Oma ebenfalls Strukturtapete,
allerdings beige grundiert:
Die wiedergefundene Zeit
|
Auf dem Foto übrigens links meine Mutter, dann mein Vater,
rechts meine Oma. Es ist das selbe Weihnachten wie das
Fallerbahn-Pistolen-Weihnachten. Und jetzt achtet mal auf ein kleines Detail:
das Fenster der Wohnzimmertüre ist mit einer Decke verhängt. Das wurde deshalb
gemacht, um das Christkind nicht zu stören, wenn es die Geschenke bringt! Wir
wollten natürlich immer durch die Tür linsen, was auf den Tischen für
Wunderbares aufgestapelt war.
Die Uhrzeit habe ich
übrigens mit dieser Lernuhr ziemlich schnell gelernt. Das ist auch echt super.
Meine Mutter stellte die Zeiger hin, und ich sagte dann: "Halb zwei."
Richtig. Anders verstellt: "Viertel vor sieben." Richtig. Ich war ein
Uhrenstreber.
So. Einige Jahre später, nämlich heute. Ich besuche gerade
Julia, und das kleine Klärchen lernt gerade die Uhr. Und womit lernt das kleine
Klärchen gerade die Uhr? Damit:
Klärchen kann leider nicht zwei Uhr lernen |
Offensichtlich ist das dieselbe Stück. Achtet auf die
Stundenfarben! Wahrscheinlich ist es so: Meine alte Lernuhr ist durch
Trödelläden gewandert, wurde weiterverschenkt, für zwei Mark verkauft, wanderte
durch diverse Kinderzimmer, es wurde an den Zeigern gedreht, richtigherum, sie
wurde achtlos an die Straße gestellt, wiederaufgesammelt, sie wurde verliehen
und ist nie wiederbekommen worden. Sie wurde als Päckchen verschickt, auf dem
Flohmarkt gekauft, auf das kleine Regal gestellt, wieder hinuntergenommen, in
den Sperrmüll geworfen, wieder herausgenommen, es wurde an den Zeigern gedreht,
falschherum, die Uhr wurde in eine Tüte gepackt und mit anderen Kram
weitergegeben, wieder rausgenommen und
- ist so in mehr als vierzig Jahren von Dortmund bei mir nach Berlin in
den Prenzlauer Berg zum kleinen Klärchen gewandert. Allerdings hat sie mittlerweile
zwei Uhr verloren.
Wenn man sich in vielen Jahren mit dem Klärchen um zwei
Uhr verabredet, wird sie immer etwas unpünktlich sein. Drei Uhr, sieben Uhr,
zwölf Uhr, alles kein Problem, denn Klara ist pünktlich wie ein Maurer. Nur
nicht bei zwei Uhr. Dann wird Klara ein wenig spät dran sein. Und wir wissen,
warum das so ist.
Die gleiche Lernuhr hatte ich - Jahrgang 1987 - auch. Soweit ich weiß, wurde sie mir Anfang der 90er Jahre von Bekannten aus der ehemaligen DDR mitgebracht.
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