Freitag, 16. Juni 2017

W05 - Wand




Wand. Links unten gibt es einen „Ölsockel“ – das heißt deswegen so, weil sie Ölfarbe gestrichen werden. Das war ja so üblich in Kneipen und in Treppenhäusern. Stimmt, wo ich jetzt sehe – ich habe das mal nachgeschlagen, das macht kein Mensch mehr heute. Und früher hat man es gemacht, weil die Leute so fürchterliche Ferkel gewesen sind. Ich habe nachgelesen, daß ihn Gaststätten Ölsockel gemacht wurden, weil die Leute immer mit ihren Stuhllehnen gegen die Wand gewumst sind. Früher war alles schlechter, ganz klar.



Tapeten: das ist natürlich ein kuhles Thema. Wobei ich jetzt einmal ganz stark unterstelle, daß die Tapete ihre große Zeit hinter sich. Ich meine jetzt die farblich gemusterte Tapete, nicht die allgegenwärtige Rauhfaser. In meinen eigenen Wohnungen habe ich jedenfalls noch nie in meinem Leben eine gemusterte Tapete gehabt. In meiner Kindheit sah das natürlich ganz anders aus. Ich habe mal in alten Fotoalben nachgeschaut und kann euch deshalb einige Fotos aus meiner Tapetenkarriere präsentieren:

 
Nackt! Viel Handtuch! Etwas Tapete!

Das bin ich, nackt. Das Foto ist in der Küche aufgenommen. Gut zu sehen, wie ich mich an das Stoffliche festhalte. Lustigerweise hat das Handtuch alle Zeitläufte überlebt und liegt hier im Schrank. Aber wieder zur Tapete. An das Muster kann ich mich nicht mehr entsinnen, - obwohl, wenn ich es jetzt noch mal vergrößere, gab es gerade auf dem Grund der verlorenen Zeit einen ganz sachten Widerhall. Aber keine Ahnung, wie weit Tapetenerinnerung zurückreichen kann. Das ist psychoanalytisch auch wenig erforscht, fürchte ich. Tapetenneid. Rauhfaser-Komplex.
Gut in Erinnerung ist mir die Küchentapete so ca. 8 Jahre später:

Viel Tapete, ein wenig Joachim


Das war ein Mischung aus floralen Elementen, abstrakten Bildern und mühlenartigen Gebilden. Als Kind hat man ja Zeit, ihnen mit dem Finger nachzufahren und sich dazu alles Mögliche auszudenken. Insbesondern faszinierte mich das Phänomen der Wiederholung auf den Mustertapeten, sowohl von oben nach unten als auch von links nach rechts. Bei diesen Mustertapeten war das Verkleben deshalb auch so schwierig, weil man die Anschlußstück ja genau verkleben mußte. Bei kompletten Bahnen war das nur ein vertikales Problem, da die Bahnen horizontal genau gleich waren. Trotzdem habe ich dann mit dem kleinen Finger immer den vertikalen Versatz gesucht. Ihr seht, wie ich damals drauf war. Nur wenn es in die Ecke ging, hatte man dann ein horizontales Anschlußproblem (ihr seht das rechts neben meinem Kopf in der schrägen Ecke).
 
 Auch hier ganz gut zu sehen:



Ich, Kinderzimmertapete, Reinhard, Pistole, Fallerbahn
 


Das ist übrigens mein Vetter Reinhard, der hier schon diverse Male erwähnt wurde und hier sogar bewaffnet ist, weil gerade Weihnachten ist. Das Foto ist in meinem Zimmer aufgenommen. An die Tapete kann ich mich auch erinnern, ein blaßfarbenes Karo. Zu meinen Füßen eine Abschußvorrichtung einer Fallerbahn. Was eine Fallerbahn ist? Nun, stellt euch den Vor-Vor-Vor-Gänger von Pokemon vor, nur eben als Rennbahn für Matchboxautos.





Im Wohnzimmer wurde nicht so heftig gemustert, sondern stattdessen vornehm strukturiert. Hier unsere Wohnzimmertapete, ebenfalls Anfang der Siebziger. Daran war natürlich toll, das man dem erhabenen Muster mit dem Finger nachfahren konnte. Natürlich durfte ich das nur mit sauberen Pfoten.


Tapete, Blume, Wohnzimmerschrank

Ein Stockwerk tiefer, bei Oma ebenfalls Strukturtapete, allerdings beige grundiert:


Die wiedergefundene Zeit


Auf dem Foto übrigens links meine Mutter, dann mein Vater, rechts meine Oma. Es ist das selbe Weihnachten wie das Fallerbahn-Pistolen-Weihnachten. Und jetzt achtet mal auf ein kleines Detail: das Fenster der Wohnzimmertüre ist mit einer Decke verhängt. Das wurde deshalb gemacht, um das Christkind nicht zu stören, wenn es die Geschenke bringt! Wir wollten natürlich immer durch die Tür linsen, was auf den Tischen für Wunderbares aufgestapelt war.

 

Die Uhrzeit  habe ich übrigens mit dieser Lernuhr ziemlich schnell gelernt. Das ist auch echt super. Meine Mutter stellte die Zeiger hin, und ich sagte dann: "Halb zwei." Richtig. Anders verstellt: "Viertel vor sieben." Richtig. Ich war ein Uhrenstreber.

 

So. Einige Jahre später, nämlich heute. Ich besuche gerade Julia, und das kleine Klärchen lernt gerade die Uhr. Und womit lernt das kleine Klärchen gerade die Uhr? Damit:


Klärchen kann leider nicht zwei Uhr lernen



Offensichtlich ist das dieselbe Stück. Achtet auf die Stundenfarben! Wahrscheinlich ist es so: Meine alte Lernuhr ist durch Trödelläden gewandert, wurde weiterverschenkt, für zwei Mark verkauft, wanderte durch diverse Kinderzimmer, es wurde an den Zeigern gedreht, richtigherum, sie wurde achtlos an die Straße gestellt, wiederaufgesammelt, sie wurde verliehen und ist nie wiederbekommen worden. Sie wurde als Päckchen verschickt, auf dem Flohmarkt gekauft, auf das kleine Regal gestellt, wieder hinuntergenommen, in den Sperrmüll geworfen, wieder herausgenommen, es wurde an den Zeigern gedreht, falschherum, die Uhr wurde in eine Tüte gepackt und mit anderen Kram weitergegeben, wieder rausgenommen und   - ist so in mehr als vierzig Jahren von Dortmund bei mir nach Berlin in den Prenzlauer Berg zum kleinen Klärchen gewandert. Allerdings hat sie mittlerweile zwei Uhr verloren. 




Wenn man sich in vielen Jahren mit dem Klärchen um zwei Uhr verabredet, wird sie immer etwas unpünktlich sein. Drei Uhr, sieben Uhr, zwölf Uhr, alles kein Problem, denn Klara ist pünktlich wie ein Maurer. Nur nicht bei zwei Uhr. Dann wird Klara ein wenig spät dran sein. Und wir wissen, warum das so ist.


 

 

1 Kommentar:

  1. Die gleiche Lernuhr hatte ich - Jahrgang 1987 - auch. Soweit ich weiß, wurde sie mir Anfang der 90er Jahre von Bekannten aus der ehemaligen DDR mitgebracht.

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