Freitag, 19. Mai 2017

W01 - Waage


Waage. Ha. Mein allerbester Ebay-Kauf ist hier gar nicht dabei. Ich kam dazu beim Verfassen von K58, als ich auf der Illustration dort die Waage entdeckte, die meine Mutter früher hatte. Wartet, ich kopiere euch das gerade mal herüber:



Zur Zeiten dieser Waage war ich noch sehr, sehr klein. Ich wußte weder den Hersteller (ich konnte damals nicht einmal lesen) noch ganz genau, wie sie aussah. Eierschalenfarben, und mit einer blitzblanken Waagefläche. Das ist nicht gerade too much information für eine erfolgreiche Waagensuche. Aber ich hatte Glück. Ich fand die Waage, und nicht nur das: es gab bei Ebay ein günstiges Angebot, ich ersteigerte sie und war ehrlich verblüfft, in welchem hervorragenden Zustand hier sie ankam. Perfekt, wie am ersten Tag. Eine Stube Küchenwaage. Es ist auch eine Laufgewichtswaage (oben rechts) und funktioniert über das Hebelprinzip. Deshalb ist auch keine Feder o.ä. vorhanden, die ausleiern könnte. Meine Stube Küchenwaage wiegt grammgenau und wird regelmäßig benutzt.


In der zweiten Reihe links seht ihr unter der 0 einen runden Metallknopf. Darunter ist das Gewicht, das man nach rechts 0,5kg-weise vestellt. Man ihn leicht herunterdrücken und dann in die spitzen Ausstanzungen einrasten lassen. Als ich das mit meiner neuen Ebay-Stube-Waage machte, fiel mir ein, wie ich das als kleiner Junge, vielleicht 4 oder 5 Jahre alt, auch gemacht hatte. Das Gewicht gibt etwas Widerstand, und dann schiebt man es nach rechts. Ich konnte mich daran erinnern. Es gibt offenbar ein taktiles Gedächtnis. Also nicht nur ein Textgedächtnis, ein Bildergedächtnis, ein Gesichter- und Geräuschgedächtnis, nicht nur ein Madeleine-Gedächtnis und Geruchsgedächtnis, sondern offenbar auch ein Gedächtnis dafür, wie die Dinge sich so anfassen.

Mit der Waage kann man auf zweierlei Arten messen: einerseits das Gewicht einstellen, 750g, das bedeutet, das große Gewicht eine Rasterstellung nach rechts = 500g , und den kleinen Schieber darüber ungefähr in die Mitte = 750g. Dann kippt man das Mehl, den Zucker, was auch immer, oben in die Metallschale, bis zwei Metallzungen (man sieht sie auf dem oberen Foto rechts an der Seite) sich genau gegenüberstehen. Oder umgedreht: man kippt das Wiegegut oben hinein, und stellt dann an den Gewichten so lange herum, bis sich die Waage eingependelt hat. Übrigens eine Angelegenheit, die durchaus eine Minute dauern kann. Für hektisches Herumwiegen ist die Stube-Waage nun wirklich nichts. Sie kann sogar Tara. Und sagt mal: kann eure Küchenwaage auch 12,5kg? Nein, kann sie nicht, weil mit eurem Digitalding bei 5kg die Party vorbei ist.

Die Neigungswaage in der Illustration stand früher in jeder Metzgerei. Sie hat auf beiden Seiten eine Skala: zum Kunden hin wird nur das Gewicht gezeigt. Die Fleischereifachverkäuferin hingegen hat auf ihrer Seite noch rund 30 Skalen als verschieden lange Kreisausschnitte, von oben lang nach unten kurz, meistens grün/weiß abwechselnd (googelt das mal besser). Jede Skala repräsentiert einen Preis pro kg. Es gibt also z.B. eine 3 Mark-Skala. Wenn die Waage auf 500g steht, dann ist der Zeiger auch auf 1,50 auf dieser 3 Mark-Skala. Als Freund des Rechenschiebers bin ich natürlich da völlig begeistert. Aber ich erinnere mich auch: früher in der Metzgerei packte die Fleischereifachverkäuferin die Wurst auf das Papier auf die Bizerba-Waage, darfs ein bißchen mehr sein, las dann den Preis auf einer der Skalen ab und schrieb ihn mit einem Zimmermannsbleistift auf die Rückseite der Fleischereitüte. Addieren mußte sie dann allerdings schriftlich, das macht dann 8 Mark 55. Seltsam eigentlich: früher mußte man viel intelligenter sein, um Sachen hinzubekommen. Heute braucht die Verkäuferin nur einen Code. Den Rest macht ihr Waagecomputer, der wahrscheinlich auch noch mit der Warenwirtschaft vernetzt ist.

1 Kommentar:

  1. Mal wieder ein wunderbarer Beitrag und sehr lehrreich! Bei uns steht eine schwiegergroßmütterlich ererbte, wie ich jetzt weiß, Tafelwaage. Diese wartet sehnsüchtig darauf, dass der Gemahl die Gewichte putzt - und dass die Kinderchen ein wenig pfleglicher mit solchen Sachen umgehen. Dann kann man mit ihnen hin und her wiegen, das ist doch viel toller als einmal auf die Digitalwaage drücken.
    Erst gestern habe ich mit dem mittleren Kind ein Ravensburger "Lotto" von etwa 1980 gespielt; es war sehr unterhaltsam zu beobachten, wie das Kind versuchte, die abgebildeten Alltagsgegenstände zu benennen.

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