Freitag, 3. Februar 2017

T14 - Tollkirsche, Tomahawk etc.






Titel. „Faltboot stößt vor“ – dieses Buch hat es wirklich gegeben, und tatsächlich auch im Brockhaus-Verlag. Der 24jährige Autor Herbert Rittlinger paddelte in den Karpaten, und auch im Euphrat. Auf der Rückreise hat er sogar  Leo Trotzki besucht. Seine Bücher waren zu Brockhauszeiten extrem erfolgreich: sein Buch „Ganz alleine zum Amazonas“ von 1958 allein verkaufte 300.000 Stück. In den Sechzigern war es allerdings vorbei mit seinem Ruhm. Er starb verarmt im Jahre 1978. Übrigens: die ersten Truppen, die 1982 auf den Falklands landeten, waren Soldaten in Faltbooten, die vom argentinischen Radar nicht geortet werden konnten. Faltboot stößt vor.



Zu Büchertiteln: Ich bin mir gar nicht sicher, ob Schriftsteller es abschätzen können, wie lange sie gelesen werden. Ich bin mir sicher, Franz Kafka ahnte nichts von seinem mittlerweile hundertjährigem Ruhm. Bei Marcel Proust bin ich mir nicht sicher, bei James Joyce hingegen bin ich überzeugt, er wußte um seinen zähen Nachruhm. Fast interessanter sind die Vergessenen: ich bin mir sicher, in 20 Jahren wird der letzte Rest Heinrich Böll aus unserer kulturellen Blutbahn herausgespült werden. Und bestimmt, Günter Grass, dir geht es jetzt auch den Kragen, und ja, Martin Walser, du wirst schneller vergessen werden als der letztjährige Gewinner von DSDS. Kennt heutzutage eigentlich jemand noch Rudolf Eucken? Nobelpreis für Literatur 1909 (allerdings als Philosoph, aber trotzdem vergessen). Herrmann Hesse hat sich hingegen ziemlich lange ziemlich gut gehalten. Anfang der Achtziger war er noch GROSS, aber ich denke, ab den Neunzigern ging es rapide abwärts. Die Zeiten sind nicht kitschig genug für dich, Hermann. Ich schätze, nach 30 Jahren bleiben maximal 10% übrig. Der Rest der Schriftsteller ist an sein Zeitalter wie an einen Felsen gekettet.



Tollkirsche. Das hat man schon selbst uns Kindern beigebracht: eßt niemals Tollkirschen, obwohl sie so aussehen wie Kirschen, denn sie sind sehr giftig! Was übrigens stimmt: 5 Tollkirschen genügen, und dann hat der liebe Gott ein neues Engelein. Ein Erwachsener braucht ca. 20, dann ist er auch hinüber. Es muß wirklich krass sein: die Vergifteten bekommen Weinkrämpfe, „Rededrang“ und Tobsuchtsanfälle. Sich quatschend zu Tode heulen, das ist wirklich arg. Also: achtet auf die Illustration: Tollkirschen sind keine tollen Kirschen, sondern sehr untolle Kirschen. Finger weg!



Tomahawk. Ja, den haben die Indianer erfunden, das Wort stammt aus dem Algonkin. Mir fällt natürlich Karl May ein dabei. Es dauert allerdings mehr als 200 Seiten, als zum erstenmal in Winnetou I das Wort „Tomahawk“ fällt, als nämlich Old Shatterhand mit einem der schuftigen Kiowas kämpfen muß. Sam Hawkins erklärt ihm zum Tomahawk: „Ihr wißt doch, daß man den nicht nur im Nahekampfe anwendet; er ist auch eine fürchterliche Waffe für die Ferne; er wird geworfen, und diese Roten sind darin so geübt, daß sie einem auf hundert Schritte die Spitze des emporgehaltenen Fingers damit abschneiden.“ Aber dann werden sie ja alle dicke Kumpel. Karl Mays Bücher haben meine Vorstellungen über das Draufsein von Indianerstämmen lange geprägt. In Westernfilmen waren die Apachen ja meist die Bösen. Die Kiowas hingegen waren ganz ok. Bei Karl May ist es genau andersherum: die Apachen sind die edlen Indianer, und die Kiowas so eine Art Schalke 04 der indigenen Urbevölkerung. Uneingeschränkt dufte waren eigentlich nur die Sioux. Wenn ich im heimischen Garten den Indianer spielte, dann wollte ich Sioux sein. Allein schon wegen des schönen Adlerfeder-Kopfschmuckes, während die Apachen sich nur einfach ein Spültuch um den Kopf gewickelt hatten. Entsetzt war ich allerdings, als ich als Elfjähriger erfuhr, die Sioux würden Sju ausgesprochen werden und nicht Siucks, wie ich das bis dahin gehalten hatte. Bis heute weigere ich mich, das anzuerkennen. Siucks ist richtig, nicht Sju.



Tomate. Früher war nicht alles besser. Die Tomate aber schon, finde ich. Man bekommt zwar auch heute gute (Bio-) Tomaten, aber um die normale Tomate, ob Rispe oder Roma, muß man einen Bogen machen. Sie besteht eigentlich nur aus Farbe, aber nicht aus Geschmack. Weiter finde ich es störend, wie groß sie gezüchtet werden. Die Normaltomate ist so groß wie ein Tennisball. Die deutlich kleineren Tomaten, die viel besser zu verarbeiten, laufen heute gar unter „Cherry-Tomaten“. Was ihnen allen regelmäßig fehlt, ist das Tomatige am Geschmack. Es dürfte doch nicht so schwer sein, Tomaten zu züchten, die nach Tomaten schmecken. Äpfel sind doch auch nicht so groß wie Fußbälle geworden und schmecken nach Wasser. Tomaten, die Donald Trumps unter den Gemüsen: übergroß und geschmacklos.

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