Titel. „Faltboot stößt vor“ – dieses Buch hat es wirklich gegeben, und tatsächlich auch im Brockhaus-Verlag. Der 24jährige
Autor Herbert Rittlinger paddelte in den Karpaten, und auch im Euphrat. Auf der
Rückreise hat er sogar Leo Trotzki
besucht. Seine Bücher waren zu Brockhauszeiten extrem erfolgreich: sein Buch
„Ganz alleine zum Amazonas“ von 1958 allein verkaufte 300.000 Stück. In den
Sechzigern war es allerdings vorbei mit seinem Ruhm. Er starb verarmt im Jahre
1978. Übrigens: die ersten Truppen, die 1982 auf den Falklands landeten, waren
Soldaten in Faltbooten, die vom argentinischen Radar nicht geortet werden
konnten. Faltboot stößt vor.
Zu Büchertiteln: Ich bin mir gar nicht sicher, ob Schriftsteller es
abschätzen können, wie lange sie gelesen werden. Ich bin mir sicher, Franz Kafka
ahnte nichts von seinem mittlerweile hundertjährigem Ruhm. Bei Marcel Proust
bin ich mir nicht sicher, bei James Joyce hingegen bin ich überzeugt, er wußte
um seinen zähen Nachruhm. Fast interessanter sind die Vergessenen: ich bin mir
sicher, in 20 Jahren wird der letzte Rest Heinrich Böll aus unserer kulturellen
Blutbahn herausgespült werden. Und bestimmt, Günter Grass, dir geht es jetzt
auch den Kragen, und ja, Martin Walser, du wirst schneller vergessen werden als
der letztjährige Gewinner von DSDS. Kennt heutzutage eigentlich jemand noch
Rudolf Eucken? Nobelpreis für Literatur 1909 (allerdings als Philosoph, aber
trotzdem vergessen). Herrmann Hesse hat sich hingegen ziemlich lange ziemlich
gut gehalten. Anfang der Achtziger war er noch GROSS, aber ich denke, ab den
Neunzigern ging es rapide abwärts. Die Zeiten sind nicht kitschig genug für
dich, Hermann. Ich schätze, nach 30 Jahren bleiben maximal 10% übrig. Der Rest der
Schriftsteller ist an sein Zeitalter wie an einen Felsen gekettet.
Tollkirsche. Das hat man schon selbst uns Kindern
beigebracht: eßt niemals Tollkirschen, obwohl sie so aussehen wie Kirschen,
denn sie sind sehr giftig! Was übrigens stimmt: 5 Tollkirschen genügen, und
dann hat der liebe Gott ein neues Engelein. Ein Erwachsener braucht ca. 20,
dann ist er auch hinüber. Es muß wirklich krass sein: die Vergifteten bekommen
Weinkrämpfe, „Rededrang“ und Tobsuchtsanfälle. Sich quatschend zu Tode heulen,
das ist wirklich arg. Also: achtet auf die Illustration: Tollkirschen sind
keine tollen Kirschen, sondern sehr untolle Kirschen. Finger weg!
Tomahawk. Ja, den haben die Indianer erfunden, das Wort
stammt aus dem Algonkin. Mir fällt natürlich Karl May ein dabei. Es dauert
allerdings mehr als 200 Seiten, als zum erstenmal in Winnetou I das Wort „Tomahawk“ fällt,
als nämlich Old Shatterhand mit einem der schuftigen Kiowas kämpfen muß. Sam
Hawkins erklärt ihm zum Tomahawk: „Ihr wißt doch, daß man den nicht nur im
Nahekampfe anwendet; er ist auch eine fürchterliche Waffe für die Ferne; er
wird geworfen, und diese Roten sind darin so geübt, daß sie einem auf hundert
Schritte die Spitze des emporgehaltenen Fingers damit abschneiden.“ Aber dann
werden sie ja alle dicke Kumpel. Karl Mays Bücher haben meine Vorstellungen
über das Draufsein von Indianerstämmen lange geprägt. In Westernfilmen waren
die Apachen ja meist die Bösen. Die Kiowas hingegen waren ganz ok. Bei Karl May
ist es genau andersherum: die Apachen sind die edlen Indianer, und die Kiowas
so eine Art Schalke 04 der indigenen Urbevölkerung. Uneingeschränkt dufte waren
eigentlich nur die Sioux. Wenn ich im heimischen Garten den Indianer spielte,
dann wollte ich Sioux sein. Allein schon wegen des schönen Adlerfeder-Kopfschmuckes,
während die Apachen sich nur einfach ein Spültuch um den Kopf gewickelt hatten.
Entsetzt war ich allerdings, als ich als Elfjähriger erfuhr, die Sioux würden
Sju ausgesprochen werden und nicht Siucks, wie ich das bis dahin gehalten hatte. Bis
heute weigere ich mich, das anzuerkennen. Siucks ist richtig, nicht Sju.
Tomate. Früher war nicht alles besser. Die Tomate aber
schon, finde ich. Man bekommt zwar auch heute gute (Bio-) Tomaten, aber um die
normale Tomate, ob Rispe oder Roma, muß man einen Bogen machen. Sie besteht
eigentlich nur aus Farbe, aber nicht aus Geschmack. Weiter finde ich es störend,
wie groß sie gezüchtet werden. Die Normaltomate ist so groß wie ein Tennisball.
Die deutlich kleineren Tomaten, die viel besser zu verarbeiten, laufen heute gar
unter „Cherry-Tomaten“. Was ihnen allen regelmäßig fehlt, ist das Tomatige am
Geschmack. Es dürfte doch nicht so schwer sein, Tomaten zu züchten, die nach
Tomaten schmecken. Äpfel sind doch auch nicht so groß wie Fußbälle geworden und
schmecken nach Wasser. Tomaten, die Donald Trumps unter den Gemüsen: übergroß
und geschmacklos.
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