Schach. Ich habe Schach
immer gern gemocht. Allerdings gibt es ein großes Problem: ich bin zu doof
dafür. Ich wäre wenigstens gerne ein leidlicher Spieler, so irgendwo am
untersten Ende der Mittelklasse. Das schaffe ich allerdings nicht. Ich bin
schlecht. Der Hauptfehler besteht darin, daß ich ich annehme, nur ich hätte
einen Plan und der andere würde einfach nur mal so in der Gegend herumziehen.
Das ergibt regelmäßig sehr unangenehme Überraschungen. Mein zweiter Fehler
besteht darin, viel zu schnell viel zu offensiv zu sein. Zwei Figuren und einen
Bauer halte ich schon für eine Streitmacht napoleonischen Ausmaßes. Allerdings
geht es mir dann auch wie Napoleon in Rußland. Vor einiger Zeit hat Marek mit
mir gespielt. Er hatte sogar eine Schachuhr mitgebracht, weil er sich öfter
einmal ärgerte, wie lahmarschig seine Gegner spielten. Ich fand die Uhr sehr
hübsch, aus Holz. Besonders fasziniert mich das Fallblättchen, das ist eine
kleine Fahne, die vom Minutenzeiger angehoben wird, bis sie dann herunterfällt
die Zeit abgelaufen ist. Zeitprobleme habe ich aber nie. Wenn ich irgendetwas
entdecke, was irgendwie gezogen werden könnte, dann mache ich das einfach.
Einen Plan B halte ich für überflüssig, und erst recht, über mögliche
Erwiderungen des Gegners nachzudenken. Das spart ungeheuer Zeit! Fein finde ich
auch das Groß-Schach in Parks u.ä. Da hat man ja richtig etwas herumzulaufen.
Es ist allerdings frappierend unübersichtlicher als normales Tischschach. Ich
habe es gelegentlich gegen Erica gespielt und es immer verloren. Die Partien
liefen eigentlich immer gleich ab, nämlich wie der Zweite Weltkrieg: ein
schneller Angriff auf Polen und Bauern, und dann mache ich einen
Barbarossa-artigen Angriff mit Läufern und Pferden, stecke schließlich fest und
laufe in einen D-Day-artigen Konter. – Der berühmteste Weltmeisterkampf war
Spasski gegen Fischer, 1972 in Reykjavik. Zum Beispiel das Eröffnungsritual bei
JEDER Partie mit Spasski mit Weiß: der höfliche Spasski erschien kurz vor 17h,
verbeugt sich, begrüßt den Schiedsrichter und nimmt Platz. Fischer ist nicht
da. Genau um 17h startet der Schiedsrichter die Uhr. Spasski blickt kurz aufs
Brett, spielt e2-e4, schaut noch mal aufs Brett, steht auf und verläßt den Raum.
Das Brett mit e2-e4 bleibt einige Minuten mit sich allein. Fischers Uhr tickt. Dann
betritt Bobby Fischer den Raum. Er setzt sich in seinen luxuriösen Sessel aus
Leder, schaut kurz auf das Brett und zieht c7-c5. Dann erscheint Spasski wieder,
sie geben sich die Hand, und es geht weiter. Eines der Bücher über diese Partie
heißt „Wie Bobby Fischer den Kalten Krieg gewann“. Ja, Schach ist schon Krieg,
das ist schon vielen aufgefallen. Ich war letztes Jahr nach langer Zeit wieder
einmal im Schelling-Salon in München. Zumindest in den letzten 25 Jahren hat
sich dort überhaupt nichts geändert, ich fürchte, seit den Dreißigern ebenfalls
nicht, als Hitler dort zunächst Stammgast war, aber dann Hausverbot bekam, weil
er seinen Deckel nicht bezahlt hat. Wenn ihr mal da seid, müßt ihr aufs Klo
gehen. Die Stufen nach unten sind mehrere Zentimeter tief ausgetreten, durch
Millionen von Gästen wie Hitler und seine Kumpel, die dort Pipi mußten. Im
Schelling-Salon ist jedenfalls an der
Gaststättendecke die Schlußstellung der Unsterblichen Partie,
Anderssen-Kieseritzky 1851, auf ein riesiges Schachbrett montiert. Ein
gigantisches Donnerwetter: Anderssen opfert einen Läufer, zwei Türme und die
Dame und setzt dennoch Matt. Man kann sich richtig vorstellen, wie der spätere
Führer da gesessen hat, eine vegane Weißwurst mampfte und versonnen zur Decke starrte
– einen Läufer werde ich opfern, zwei Türme, die Dame, aber Deutschland wird
siegen, wird siegen so wie Anderssen. Der hieß übrigens mit Vornamen – Adolf. Manchmal
ist es aber auch wirklich fatal.
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