Donnerstag, 9. April 2015

L24 - Luftschiff





Luftschiff. Tolle Illustration, tolles Thema. Ich wäre um ein Haar mal mit so einem Ding geflogen. Ich hatte mit acht oder neun Jahren an einem Preisausschreiben teilgenommen. Der Hauptgewinner wurde auf einem Bierfest gezogen. Und das war ich. Ich durfte mit dem Wicküler-Luftschiff fliegen. Und dann? Ich habe Schiß bekommen und stattdessen lieber den Trostpreis genommen, ein Gesellschaftsspiel. Die anderen Zuschauer haben mich ausgelacht. Ich Trottel. Ich wäre der einzige aus meiner Klasse gewesen, der jemals Zeppelin gefahren wäre. Ach, Klasse. Der einzige von der Schule! Aus dem Stadtbezirk!



Besonders verdient gemacht um den Luftschiffbau hat sich die Firma Zeppelin, so daß der Firmenname zum Synonym für Luftschiffe geworden ist. Es wurden LZ 1 bis LZ 131 gebaut bis zum Anfang des Zweiten Weltkriegs. Die Füllung von Luftschiffen nennt man Traggas. Zuerst hat man Wasserstoff genommen. Das ist schön leicht und einfach herzustellen, hat aber einen klitzekleinen Nachteil: es ist leicht entzündlich. Das mußten auch die Passagiere der LZ 129 Hindenburg am 6. Mai 1937 feststellen. Es war die Mutter aller Luftschiffunglücke. Erst letztes Jahr ist mit 92 Jahren der letzte Überlebende gestorben, der ehemalige Kabinenjunge Werner Franz. Er war aus dem Fenster gesprungen und blieb zwar unverletzt, aber laut Wikipedia ein Leben lang traumatisiert.



Ein Leben lang traumatisiert. Ja, da sieht man es ja. Es war wahrscheinlich klug und umsichtig von mir, damals nicht den Luftschiff-Flug mitzumachen, habe ich mir oft eingeredet. Brennendes Traggas etc. . Das Trost-Brettspiel war übrigens ziemlich doof. Man mußte mit kleinen Eisengußzeppelinen durch Nordrhein-Westfalen fliegen und dabei Plastikscheiben einsammeln.



Der Luftschiffergruß ist „Glück ab“, also das Gegenteil des Bergmanngrußes „Glück auf“, was natürlich völlig logisch ist, weil der eine will ja heil auf, der andere heil ab. 368 Postsendungen haben übrigens das Hindenburg Unglück überstanden und sind unter Philatelisten Unsummen wert, gerade wenn sie etwas angekokelt sind. Dieses Teilgebiet nennt sich übrigens „Aerophilatelie“. Aerophilatelisten sind Leute, die nicht fliegen, wenn sie könnten, sondern lieber eine Briefmarke haben wollen oder ein Brettspiel. Und jedesmal, wenn ich ein Wickülerbier trinke (was nicht allzu oft vorkommt), spüre ich den kleinen Stich meines damaligen Zeppelinversagens. Vielleicht hätte mich der Flug damals völlig verändert. Ich wäre Elitepilot geworden. Oder hätte Düsenluftschiffe erfunden. Und würde jetzt hier nicht sitzen mit einer Flasche Wicküler für 69 Cent. Es wäre deutlich übertrieben, daß ich ebenfalls lebenslang traumatisiert bin wie Werner Franz, aber trotzdem.



Ist Euch mal auf Baggern und Baumaschinen die Aufschrift „Zeppelin“ aufgefallen? „Zeppelin Baumaschinen“ ist tatsächlich die Nachfolgefirma von „Zeppelin Zeppeline“. Seltsam eigentlich, von den eleganten Zeppelinen auf unförmige Bagger umzusteigen. Das wäre ungefähr so, als würde man sich mit dem Geld der erfolgreichen Ballettkarriere einen Schlachthof kaufen: „Semionova Koteletts“. Aber ein bißchen Luftschiff-DNA steckt damit in jedem Zeppelinbagger. Ein klein wenig Schwerelosigkeit, Eleganz und Schweben. Achtet mal drauf, wenn sie abends auf den Baustellen stehen, ihre Schaufel gedreht in den Sonnenuntergang.

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