Luftschiff. Tolle Illustration, tolles Thema. Ich wäre um ein Haar mal
mit so einem Ding geflogen. Ich hatte mit acht oder neun Jahren an einem
Preisausschreiben teilgenommen. Der Hauptgewinner wurde auf einem Bierfest
gezogen. Und das war ich. Ich durfte mit dem Wicküler-Luftschiff fliegen. Und
dann? Ich habe Schiß bekommen und stattdessen lieber den Trostpreis genommen,
ein Gesellschaftsspiel. Die anderen Zuschauer haben mich ausgelacht. Ich
Trottel. Ich wäre der einzige aus meiner Klasse gewesen, der jemals Zeppelin
gefahren wäre. Ach, Klasse. Der einzige von der Schule! Aus dem Stadtbezirk!
Besonders verdient gemacht um den Luftschiffbau hat sich die Firma
Zeppelin, so daß der Firmenname zum Synonym für Luftschiffe geworden ist. Es
wurden LZ 1 bis LZ 131 gebaut bis zum Anfang des Zweiten Weltkriegs. Die
Füllung von Luftschiffen nennt man Traggas. Zuerst hat man Wasserstoff
genommen. Das ist schön leicht und einfach herzustellen, hat aber einen
klitzekleinen Nachteil: es ist leicht entzündlich. Das mußten auch die Passagiere
der LZ 129 Hindenburg am 6. Mai 1937 feststellen. Es war die Mutter aller
Luftschiffunglücke. Erst letztes Jahr ist mit 92 Jahren der letzte Überlebende
gestorben, der ehemalige Kabinenjunge Werner Franz. Er war aus dem Fenster
gesprungen und blieb zwar unverletzt, aber laut Wikipedia ein Leben lang
traumatisiert.
Ein Leben lang traumatisiert. Ja, da sieht man es ja. Es war
wahrscheinlich klug und umsichtig von mir, damals nicht den Luftschiff-Flug
mitzumachen, habe ich mir oft eingeredet. Brennendes Traggas etc. . Das
Trost-Brettspiel war übrigens ziemlich doof. Man mußte mit kleinen
Eisengußzeppelinen durch Nordrhein-Westfalen fliegen und dabei Plastikscheiben
einsammeln.
Der Luftschiffergruß ist „Glück ab“, also das Gegenteil des
Bergmanngrußes „Glück auf“, was natürlich völlig logisch ist, weil der eine
will ja heil auf, der andere heil ab. 368 Postsendungen haben übrigens das Hindenburg
Unglück überstanden und sind unter Philatelisten Unsummen wert, gerade wenn sie
etwas angekokelt sind. Dieses Teilgebiet nennt sich übrigens „Aerophilatelie“. Aerophilatelisten
sind Leute, die nicht fliegen, wenn sie könnten, sondern lieber eine Briefmarke
haben wollen oder ein Brettspiel. Und jedesmal, wenn ich ein Wickülerbier
trinke (was nicht allzu oft vorkommt), spüre ich den kleinen Stich meines damaligen
Zeppelinversagens. Vielleicht hätte mich der Flug damals völlig verändert. Ich
wäre Elitepilot geworden. Oder hätte Düsenluftschiffe erfunden. Und würde jetzt
hier nicht sitzen mit einer Flasche Wicküler für 69 Cent. Es wäre deutlich
übertrieben, daß ich ebenfalls lebenslang traumatisiert bin wie Werner Franz,
aber trotzdem.
Ist Euch mal auf Baggern und Baumaschinen die Aufschrift „Zeppelin“
aufgefallen? „Zeppelin Baumaschinen“ ist tatsächlich die Nachfolgefirma von
„Zeppelin Zeppeline“. Seltsam eigentlich, von den eleganten Zeppelinen auf
unförmige Bagger umzusteigen. Das wäre ungefähr so, als würde man sich mit dem
Geld der erfolgreichen Ballettkarriere einen Schlachthof kaufen: „Semionova
Koteletts“. Aber ein bißchen Luftschiff-DNA steckt damit in jedem
Zeppelinbagger. Ein klein wenig Schwerelosigkeit, Eleganz und Schweben. Achtet
mal drauf, wenn sie abends auf den Baustellen stehen, ihre Schaufel gedreht in
den Sonnenuntergang.
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