Freitag, 19. Dezember 2014

K34 – Kluppe, Klüver, Knallbonbon – Weihnachtsspezial



So, wie letztes Jahr gibt es auch heuer ein Weihnachtsspezial. Ich hab mir dafür extra das weihnachtliche Knallbonbon aufgehoben, siehe nachher unten. Nach meinen Berechnungen werden wir auch nächstes Jahr noch gemeinsam verbringen, wenn weder ihr noch ich die Lust verlieren. Immerhin gibt es auch noch das Lemma „Krippe“.



Und noch ein Knallbonbon - Maike hat mir etwas ganz Wunderbares geschickt: eine kleine Fibel „Brockhaus über Brockhaus“. Diese Fibel war nicht für den freien Verkauf vorgesehen, sondern wurde an Vertreter und Buchhändler verteilt. Sie ist von 1958, und neben den großen Brockhäusern kommt auch unser Sprach-Brockhaus zu Ehren:

Brockhaus über Brockhaus, 1958


Toll. „Noch nie war ein so spröder Stoff so anschaulich und spannend in einem Abc dargestellt worden.“ Sie schreiben tatsächlich Abc! Den Ausführungen entnehme ich, daß die erste Ausgabe 1935 herauskam. Aus dieser Zeit stammen dann auch ein erheblicher Teil der Illustrationen. Vielleicht schenke ich mir nächstes Jahr mal eine Erstausgabe. Es heißt weiter im Text: „Die deutsche Muttersprache jedoch, der der Sprach-Brockhaus dient, ist viel ausdrucksvoller und so unbekannt, daß sich der Sprach-Brockhaus bald wie ein Roman mit immer neuer Handlung liest, wird er erstmal aufgeschlagen.“ Haha. Wenn ihr wüßtet. 60 Jahre später scannt ein Typ eure Bilder, bearbeitet sie mit Photoshop, stellt sie ins Internet und denkt sich Zeugs dazu aus. Ihr dachtet, im Jahr 2014 würden wir zum Mars fliegen und mit Lufttaxis zum Einkaufen fliegen. Quatsch. Wir bestellen bei amazon und hängen auf Facebook herum. „Ein umfassendes Wörterbuch der deutschen Sprache zu besitzen, sollte eigentlich in deutschen Landen zum guten Ton gehören. Die laufend notwendigen großen Neuauflagen und Neudrucke sind ein schönes Zeugnis dafür, daß wir diesem Ziel zustreben.“ Stimmt. Aber im Jahr 2014 werdet ihr das Neudrucken dann aufgeben. Weil die Leute nämlich ihr eigenes Lexikon geschrieben haben und ins Internet stellten. Würde man es ausdrucken, umfaßte die deutschsprachige Wikipedia übrigens 800 Bände. Da sind wir hier eher in einem tapferen kleinen gallischen Dorf. – Weil ihr mich so fleißig lest und anklickt, ist diese kleine, verträumte Seite übrigens auf Platz 4 der generischen Suchergebnisse bei Google für das Stichwort „Brockhaus“. Das finde ich schon recht ordentlich.

So, jetzt aber weiter im Betrieb:


 

Kluppe. Als Kind kramte ich gerne in den umfangreichen und nur minimal aufgeräumten Werkzeugschränken und –schubladen meines Vaters herum. Die meisten Werkzeuge offenbaren zumindest grob ihren Zweck und ihre Verwendung auf den ersten Blick. Die Familie der Zangen, die Sippe der Schraubenzieher, der Schwarm der Bohrer. Rätselhaft aber waren wir eine besondere Abisolierzange geblieben, und eben diese Schneidkluppe. Das Werkzeug ist ungefähr 20cm breit. Mit einer Schraube kann man Einsätze mit verschieden großen kleeblattförmigen Öffnungen einspannen. Aber warum? Dieses Kleeblatt paßt doch nirgendwo drauf? Und zum Ausmessen von irgendwetwas schien es sich auch nicht zu eignen, denn es gab nirgendwo eine Skala oder so etwas. Schließlich frage ich meinen Vater. Er erklärt mir, das sei ein Gewindeschneider und führt es mir auch vor. Seitdem habe ich keinen Gewindeschneider mehr gesehen, bis heute. Die Meßkluppe – das Wort habe ich noch nie gehört, ich kenne nur Schieblehren, aber es scheint so zu sein, daß Meßkluppen größer sind, bis zu einem Meter, etwa um Bäume zu messen.



Klüver. Wikipedia glaubt, der Mühlenklüver sei etwas völlig anderes, und zwar eine Welle zur Kraftübertragung, merkwürdigerweise ebenfalls bei Windmühlen. Da finde ich die Brockhaus-Variante, offenbar eine dreieckige Erweiterung des Mühlenflügels, logischer, weil sie ja auch viel besser zum Segel-Klüver paßt.


Knallbonbon. Ich glaube, ich habe nur ein einziges Mal so ein Ding in der Hand gehabt. Beim Auseinanderziehen machte es einen sachten Laut. Also kein Vergleich zu einem echten Chinaböller. In England und den Commonwealth-Staaten sind Christmas Cracker das große Ding. Man zieht zu zweit an jedem Ende, dann macht es Bumm, und dann fallen kleine Sachen raus, welche die Hersteller vorher reingetan haben, z.B. ein kleines Spielzeug, ein Papierhut oder ein Segensspruch. Sozusagen ein Ü-Ei ohne Schokolade, aber mit Bumm. Als Erfinder gilt der rührige Konditormeister Tom Smith aus London, der sie 1847 erfunden hat. Sein Sohn Walter war der erste, der lustigen Tüddelkram hineinpackte. Im Jahr 1900 wurden schon 13 Millionen verkauft. Eher zufälligerweise konzentrierte sich die gesamte Crackerindustrie in Norwich; zu Spitzenzeiten wurden hier 50 Millionen produziert. Leider kam es in den 80ern zu einem Niedergang der englischen Crackerindustrie. Wahrscheinlich ist Maggie Thatcher schuld, oder sie brauchten für den Falklandkrieg Knallbonbons, die anders konstruiert wurden. Der Markenname hat sich übrigens erhalten, es gibt nach wie vor Tom Smith Christmas Crackers, und zwar die Sorten Juvenile, Speciality, Mini, Traditional und Luxury. In letztere Abteilung fällt auch Chairman’s Choice Christmas Cracker: “Each cracker contains luxury contents such as a pen, bottle opener, key ring, mirror or a clock.” Immerhin kostet jeder 10$ das Stück. - Ich habe jetzt meine britische Kollegin Heidi angerufen. Sie versicherte mir, die Christmas crackers werden immer noch begeistert gekauft. Die billigste Variante kostet 70 Cent, aber es gibt auch bei Harrods welche für 50 € das Stück. Ob sie denn auch welche kauft, fragte ich. „Natürlich!“ antwortete sie sofort. Engländer haben auch bei unwahrscheinlichen und merkwürdigen Angelegenheiten oft eine Sicherheit und Selbstverständlichkeit, die einem denken läßt: ja, anders geht es doch auch gar nicht. Ich werde mal in Berlin Christmas crackers suchen gehen. Im KaDeWe haben sie doch alles. Es ist überhaupt schön, wie üppig die Engländer ihr Weihnachten mit Traditionen auskleiden: Christmas Crackers, Mistletoe, Mince Pies. Allein für den Versand von Weihnachtskarten geben sie 164 Millionen £ aus. Einen erheblichen Teil ihres Bruttosozialproduktes verjuxen sie für Weihnachten. Glückliches Volk. 

 



So, das ist mein Weihnachtsbaum. Ich habe mir gedacht, ihn jedes Jahr zu Nikolaus aufzubauen. Das ist eine selbst ausgedachte Tradition. Jemand hat mir aber jetzt erzählt, die Italiener würden ihre Weihnachtsbäume am 8. Dezember schmücken. Da kann ich mich ja dranhängen. Albero di natale quattro stagioni. Ok, ab jetzt jedes Jahr 8. Dezember. – Jedes Jahr ist es ein harter Wettlauf zwischen dem Kauf neuer Dekoration und den Sachen, die ich beim Aufbauen kaputt mache (2 Kugeln). Neu ist die Spitze und eine zweite Lichterkette. Aufmerksame Fotoangucker werden bemerken, daß im Hintergrund kein Brockhaus steht, sondern eine Dudenserie. Ja, stimmt. Ich hab sie alle, seltsamerweise ohne Nr. 1, den Standardduden. Ich hab sogar Nr. 6 Aussprache, den man wirklich nicht braucht. Am tollsten ist natürlich Nr. 9, der Zweifelsfall-Duden. Rechts auf dem Fensterbrett ist der Zauber-Lautsprecher zu sehen, darüber werden wir bald reden, unter L10 (Laute, Lautsprecher, Lehnen).  


Es hat mir auch in diesem Jahr großen Spaß gemacht, für euch und für mich das alles zu schreiben. In diesem Sinne. Euch Frohe Weihnachten!
 

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