So, wie letztes Jahr gibt es auch heuer ein Weihnachtsspezial. Ich hab
mir dafür extra das weihnachtliche Knallbonbon aufgehoben, siehe nachher unten. Nach
meinen Berechnungen werden wir auch nächstes Jahr noch gemeinsam verbringen,
wenn weder ihr noch ich die Lust verlieren. Immerhin gibt es auch noch das
Lemma „Krippe“.
Und noch ein Knallbonbon - Maike hat mir etwas ganz Wunderbares
geschickt: eine kleine Fibel „Brockhaus über Brockhaus“. Diese Fibel war nicht für den
freien Verkauf vorgesehen, sondern wurde an Vertreter und Buchhändler verteilt. Sie ist von 1958, und neben den großen Brockhäusern kommt auch unser
Sprach-Brockhaus zu Ehren:
Brockhaus über Brockhaus, 1958 |
Toll. „Noch nie war ein so spröder Stoff so anschaulich und spannend in
einem Abc dargestellt worden.“ Sie schreiben tatsächlich Abc! Den Ausführungen
entnehme ich, daß die erste Ausgabe 1935 herauskam. Aus dieser Zeit stammen
dann auch ein erheblicher Teil der Illustrationen. Vielleicht schenke ich mir
nächstes Jahr mal eine Erstausgabe. Es heißt weiter im Text: „Die deutsche
Muttersprache jedoch, der der Sprach-Brockhaus dient, ist viel ausdrucksvoller
und so unbekannt, daß sich der Sprach-Brockhaus bald wie ein Roman mit immer
neuer Handlung liest, wird er erstmal aufgeschlagen.“ Haha. Wenn ihr wüßtet. 60
Jahre später scannt ein Typ eure Bilder, bearbeitet sie mit Photoshop, stellt
sie ins Internet und denkt sich Zeugs dazu aus. Ihr dachtet, im Jahr 2014
würden wir zum Mars fliegen und mit Lufttaxis zum Einkaufen fliegen. Quatsch.
Wir bestellen bei amazon und hängen auf Facebook herum. „Ein umfassendes
Wörterbuch der deutschen Sprache zu besitzen, sollte eigentlich in deutschen
Landen zum guten Ton gehören. Die laufend notwendigen großen Neuauflagen und
Neudrucke sind ein schönes Zeugnis dafür, daß wir diesem Ziel zustreben.“ Stimmt.
Aber im Jahr 2014 werdet ihr das Neudrucken dann aufgeben. Weil die Leute
nämlich ihr eigenes Lexikon geschrieben haben und ins Internet stellten. Würde
man es ausdrucken, umfaßte die deutschsprachige Wikipedia übrigens 800 Bände. Da
sind wir hier eher in einem tapferen kleinen gallischen Dorf. – Weil ihr mich
so fleißig lest und anklickt, ist diese kleine, verträumte Seite übrigens auf
Platz 4 der generischen Suchergebnisse bei Google für das Stichwort „Brockhaus“. Das finde
ich schon recht ordentlich.
So, jetzt aber weiter im Betrieb:
Kluppe. Als Kind kramte ich gerne in den umfangreichen und nur minimal
aufgeräumten Werkzeugschränken und –schubladen meines Vaters herum. Die meisten
Werkzeuge offenbaren zumindest grob ihren Zweck und ihre Verwendung auf den
ersten Blick. Die Familie der Zangen, die Sippe der Schraubenzieher, der
Schwarm der Bohrer. Rätselhaft aber waren wir eine besondere Abisolierzange
geblieben, und eben diese Schneidkluppe. Das Werkzeug ist ungefähr 20cm breit. Mit
einer Schraube kann man Einsätze mit verschieden großen kleeblattförmigen
Öffnungen einspannen. Aber warum? Dieses Kleeblatt paßt doch nirgendwo drauf?
Und zum Ausmessen von irgendwetwas schien es sich auch nicht zu eignen, denn es
gab nirgendwo eine Skala oder so etwas. Schließlich frage ich meinen Vater. Er
erklärt mir, das sei ein Gewindeschneider und führt es mir auch vor. Seitdem
habe ich keinen Gewindeschneider mehr gesehen, bis heute. Die Meßkluppe – das
Wort habe ich noch nie gehört, ich kenne nur Schieblehren, aber es scheint so
zu sein, daß Meßkluppen größer sind, bis zu einem Meter, etwa um Bäume zu
messen.
Klüver. Wikipedia glaubt, der Mühlenklüver sei etwas völlig anderes,
und zwar eine Welle zur Kraftübertragung, merkwürdigerweise ebenfalls bei
Windmühlen. Da finde ich die Brockhaus-Variante, offenbar eine dreieckige
Erweiterung des Mühlenflügels, logischer, weil sie ja auch viel besser zum
Segel-Klüver paßt.
Knallbonbon. Ich glaube, ich habe nur ein einziges Mal so ein Ding in
der Hand gehabt. Beim Auseinanderziehen machte es einen sachten Laut. Also kein
Vergleich zu einem echten Chinaböller. In England und den Commonwealth-Staaten
sind Christmas Cracker das große Ding. Man zieht zu zweit an jedem Ende, dann
macht es Bumm, und dann fallen kleine Sachen raus, welche die Hersteller vorher
reingetan haben, z.B. ein kleines Spielzeug, ein Papierhut oder ein
Segensspruch. Sozusagen ein Ü-Ei ohne Schokolade, aber mit Bumm. Als Erfinder
gilt der rührige Konditormeister Tom Smith aus London, der sie 1847 erfunden
hat. Sein Sohn Walter war der erste, der lustigen Tüddelkram hineinpackte. Im
Jahr 1900 wurden schon 13 Millionen verkauft. Eher zufälligerweise
konzentrierte sich die gesamte Crackerindustrie in Norwich; zu Spitzenzeiten
wurden hier 50 Millionen produziert. Leider kam es in den 80ern zu einem
Niedergang der englischen Crackerindustrie. Wahrscheinlich ist Maggie Thatcher
schuld, oder sie brauchten für den Falklandkrieg Knallbonbons, die anders
konstruiert wurden. Der Markenname hat sich übrigens erhalten, es gibt nach wie
vor Tom Smith Christmas Crackers, und zwar die Sorten Juvenile, Speciality,
Mini, Traditional und Luxury. In letztere Abteilung fällt auch Chairman’s Choice Christmas Cracker: “Each cracker contains luxury contents such as a pen, bottle opener,
key ring, mirror or a clock.” Immerhin
kostet jeder 10$ das Stück. - Ich habe
jetzt meine britische Kollegin Heidi angerufen. Sie versicherte mir, die
Christmas crackers werden immer noch begeistert gekauft. Die billigste Variante
kostet 70 Cent, aber es gibt auch bei Harrods welche für 50 € das Stück. Ob sie
denn auch welche kauft, fragte ich. „Natürlich!“ antwortete sie sofort. Engländer haben auch bei
unwahrscheinlichen und merkwürdigen Angelegenheiten oft eine Sicherheit und
Selbstverständlichkeit, die einem denken läßt: ja, anders geht es doch auch gar
nicht. Ich werde mal in Berlin Christmas crackers suchen gehen. Im KaDeWe haben
sie doch alles. Es ist überhaupt schön, wie üppig die Engländer ihr Weihnachten
mit Traditionen auskleiden: Christmas Crackers, Mistletoe, Mince Pies. Allein
für den Versand von Weihnachtskarten geben sie 164 Millionen £ aus. Einen
erheblichen Teil ihres Bruttosozialproduktes verjuxen sie für Weihnachten. Glückliches Volk.
So, das
ist mein Weihnachtsbaum. Ich habe mir gedacht, ihn jedes Jahr zu Nikolaus
aufzubauen. Das ist eine selbst ausgedachte Tradition. Jemand hat mir aber jetzt
erzählt, die Italiener würden ihre Weihnachtsbäume am 8. Dezember schmücken. Da
kann ich mich ja dranhängen. Albero di natale quattro stagioni. Ok, ab jetzt
jedes Jahr 8. Dezember. – Jedes Jahr ist es ein harter Wettlauf zwischen dem
Kauf neuer Dekoration und den Sachen, die ich beim Aufbauen kaputt mache (2
Kugeln). Neu ist die Spitze und eine zweite Lichterkette. Aufmerksame Fotoangucker werden bemerken, daß im Hintergrund kein Brockhaus steht, sondern eine Dudenserie. Ja, stimmt. Ich hab sie alle, seltsamerweise ohne Nr. 1, den Standardduden. Ich hab sogar Nr. 6 Aussprache, den man wirklich nicht braucht. Am tollsten ist natürlich Nr. 9, der Zweifelsfall-Duden. Rechts auf dem Fensterbrett ist der Zauber-Lautsprecher zu sehen, darüber werden wir bald reden, unter L10 (Laute, Lautsprecher, Lehnen).
Es hat mir auch in diesem Jahr großen Spaß gemacht, für euch und für mich das alles zu schreiben. In
diesem Sinne. Euch Frohe Weihnachten!
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