Harmonium. Das Harmonium war irgendwie die Orgel für arme
Leute, bevor die Hammondorgel erfunden wurde. In amerikanischen Western, da
wird in der Kirche Harmonium gespielt. Da im Western alle Häuser aus Holz sind,
auch die Kirchen, wäre es ja auch komisch, wenn man in so eine Holzhütte eine
Silbermann-Orgel einbaute. Leider klingt ein Harmonium mehr oder weniger wie
eine große Ziehharmonika. Der Ton wird mit einer „durchschlagenden Zunge“
erzeugt, so ähnlich wie bei einer Maultrommel. Es gibt unzählige Varianten und
Vorläufer, die so schön heißen wie Aeoline oder Physharmonica, die aber alle
längst vergessen sind und auch wieder nur wie eine Ziehharmonika klingen. Die
hier abgebildeten Kniehhebel dienen einem Effekt, der auf den schönen Namen „Doppelexpression“
getauft wurde. Wie der Leser richtig vermutet, handelt es sich dabei um eine „Winddruckteilung“
(klingt dann so ähnlich wie eine Ziehharmonika) Ich fürchte, wenn ich noch einmal eine Viertelstunde
über das Harmonium lese, befördere ich noch einmal ein Dutzend für mich
vollständig neue Begriffe ans Tageslicht. Harmonium, eine echte Wortgoldmine. –
Apropos Hammondorgel: verblüfft habe ich festgestellt, daß Franz Lambert nicht
nur noch lebt, sondern gerade mal 65 Jahre alt ist. Franz Lambert hatte vor
urdenklichen Zeiten, ungefähr zu den Weltmeisterschaften in Deutschland 1974
und Argentinien 1978, die deutsche Fußballnationalmannschaft auf einer
Hammondorgel begleitet. Es war ein ziemlich affig aussehendes Teil mit drei
Manualen für Franz Lamberts zwei Hände, und er orgelte darauf herum und zog ein
Gesicht wie der zeitgenössische3 Richard Clayderman. Jetzt lese ich bei
Wikipedia, er sei noch hervorragend im Geschäft und habe auf Sepp Blatters
Wunsch z.B. live beim Endspiel 2006 die Hymnen gespielt. Was? Hä?
Wahrscheinlich ist die quantenmechanische Viele-Welten-Interpretation doch
richtig: es gibt eine Welt, in der Franz Lambert eine Rolle und Orgel spielt,
und es gibt die Welt, in der ich lebe und Franz Lambert vergessen ist wie
Heinrich Böll. Allerding dann auch die Frage: gibt es mich in der parallelen
Franz-Lambert-Welt auch? Und was mache ich dort? Heinrich Böll lesen?
Haselnuss. Haselnusssträucher werden ungefähr so alt wie
Menschen, 80-100 Jahre. Das Holz taugt nicht viel, also besser keinen
Wohnzimmerschrank aus Haselnuss kaufen, sondern lieber die Haselnüsse in den
Eichenwohnzimmerschrank legen. Kennt Ihr noch Novesia Goldnuß? Die gab es mit
der „Garantie 27“. Das ging so: die Schokolade hatte hinten ein großes
Sichtfenster und war in Zellophan eingepackt. Wenn man jetzt beim Nachzählen
weniger als 27 ganze Haselnüsse in der Schokolade gefunden hat, konnte man die
Tafel einschicken und hätte unverzüglich Ersatz bekommen. Und natürlich haben
wir immer nachgezählt und es waren immer mehr als 27 Nüsse. Aber ich glaube
auch nicht, daß ich die Tafel eingeschickt hätte, wenn es 26 gewesen wären. Um
dann zwei Wochen später eine Tafel mit einer Nuss mehr zu bekommen? So ein
Quatsch.
Haspe. Auch wieder so ein Wort, das man irgendwie kennt,
aber gar nicht weiß, was es ist. Eine Haspe ist der Haken, der in das Mauerwerk
geschlagen wird und dann zum Aufhängen eines Fenster- oder Türflügels dient.
„Er hängte die Haspe in den Türflügel und betrat das Gartenhaus.“ SO müßt Ihr
schreiben, wie Adalbert Stifter.
Hase. Auf Wikipedia erfahre ich, daß Hasen eine
Säugetierfamilie aus der Ordnung der Hasenartigen sind. Das wäre auch echt eine
Überraschung gewesen, wenn sie aus der Ordnung der Raubfische, Pilze oder Gemüsegurken
gewesen wären. Bei den Hasenartigen geht es wild zu: Als Kind habe ich mühsam
den Unterschied zwischen Hasen und Kaninchen gelernt, um heute nachzulesen, das
sei eigentlich Quatsch, denn Hasen und Kaninchen sind systematisch nicht zu
unterscheiden. Außer vielleicht, wie sie auf die Welt kommen: Hasen mit,
Kaninchen ohne Haare. Im Zweifelsfall kann man das Tier ja danach fragen. Bei
den Hasenartigen gibt es tatsächlich eine Gattung, die besonders hasig ist, und
die heißt wirklich „Echter Hase“. Wirklich: Echter Hase. „Falscher Hase“
hingegen hat meine Mama öfter gekocht: das ist ein Hackbraten mit gekochten
Eiern drin. Was für ein riesiges Durcheinander! Und wer jetzt gedacht hätte,
die Wissenschaft hätte die Echten Hasen komplett durcherforscht – ich meine,
das ist jetzt auch nicht so schwierig wie bei Tiefseefischen oder arktischen
Bakterien, weil die Hasenartigen ja vor unseren Beinen herumhoppeln, der möge
mal den Äthiopischen Hasen nachschlagen. „Über die Lebensweise der Art ist
nichts bekannt.“ Eigentlich ist überhaupt nichts über den Äthiopischen Hasen
bekannt, außer der vagen Vermutung, er lebe in Äthiopien. Ich glaube, da werde
ich mal wieder zu Wilmenrod – den Hackbraten mit Koriander und Chili etwas
aufwürzen, das hartgekochte Ei einen Tag in Essig einlegen, fertig ist der
„Falsche Äthiopische Hase“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Manchmal hat es Probleme mit der Kommentarfunktion gegeben. Bitte dann eine Mail an joachimgoeb@gmail.com Danke