Beträchtliche Teile
meines Schrankvermögens (also meines Vermögens an Schränken, nicht was in
Schränken drinliegt) verdanke ich Erica, nämlich den schönen Wohnzimmerschrank
sowie den Schlafzimmerschrank, die beide durch wunderliche, entlegene und kaum
mehr nachvollziehbare verwandtschaftliche Beziehungen und nach jahrzehntelangem
Dachbodendornröschenzeiten den Weg in unseren Haushalt fanden. Beides sind
schöne Stücke und unglaublich solide. Früher wurden ja Schränke für ein
mindestens halbes Leben, oder wie man an meinen Schränken sieht, gleich für
mehrere Leben gefertigt. Der Schlafzhimmerschrank sieht ziemlichgenau so aus
wie der „Kleider- u. Wäscheschrank“ oben in der Mitte. Links diverse Fächer,
rechts die Stange, und ja, jetzt fällt es mir auch auf, mit einem Hutboden, in
dem ich Pullover staple, weil ich keinen Hut besitze (wir sprachen ja schon in
H34 über die „Arbeitsgemeinschaft Hut“). Sehr würdevoll finde ich in meinem
Schrank auch eine Vorrichtung in der Tür, um Krawatten aufzuhängen. Obwohl ich
kaum noch Krawatten brauche. Das hat sich erst in diesem Jahrtausend so richtig
gedreht. Früher waren Krawatten ein gegenseitiges Einverständnis, wie man
geschäftlich miteinander umgeht, sozusagen Allgemeine Geschäftsbedingungen aus Baumwolle
und Seide. Heute sind eher Zumutungen einer übertriebenen Förmlichkeit. Ein
Geschäftstermin in Krawatte, das fühlt sich in den Zehnerjahren so an, als
würde man sich bald gegenseitig verklagen. Nach dem Hutm, nach den Hosenträgern
wird auch die Krawatte in den Konfektionsruhestand verabschiedet. – Eine solche
Frisierkommode (links unten) hatte auch meine Oma, was ich ganz toll fand, weil
ein Klappspiegel darüber angebracht war, dessen Seitenflächen man einklappen
konnte und damit den Spiegel spiegeln konnte und wiederum das Spiegelbild etc.
etc. Eine erste Einübung in ein Bild der Unendlichkeit. Meine Oma saß immer
davor und bürstete ihr langes weißes Haar. Das braucht man heute alles gar
nicht mehr, weil die Frauen sich im Bad schminken und frisieren. Wann war das
genau, ihr Mädchen, als ihr das Schlafzimmer für die Morgentoilette (sic!)
verließet und dafür aufs Klog ginget? – Es ist interessant, daß der
Wohnzimmerschrank eine „Schreiblade“ hat. Das habe ich noch nie gesehen. Das
ist doch gewiß eher für die gebildeten Stände. Ziemlich sicher bin ich mir
allerdings, wie sich aus dieser Schreiblade dann die aufklappbare Hausbar
entwickelt hat. Die hatten meine Eltern auch im Wohnzimmerschrank, mit Spiegel
an der Hinterseite (damit der Schnaps nach mehr Schnaps aussieht) und eigener
Beleuchtung. Ich hab das mal gegoogelt, diese Eichenschrank-Dinger gibt es kaum
noch kaufen, und noch weniger mit Hausbar. Nicht einmal bei Möbel Hübner in
Schöneberg („Ich soll Sie schön grüßen“), oder aber, sie haben sie auf der
Homepage versteckt. – Mein eigener Wohnzimmerschrank hat natürlich keine
Hausbar, sondern ein großes verglastes Mittelfach mit zwei Böden – und dort
liegen, ihr könnt es euch denken, die Rechenschieber. Paßt aber irgendwie. –
Jetzt fällt mir doch auf, wie wichtig der Schrank für die westliche
Zivilisation ist. Analog zu Lichtenberg, der einmal schrieb, alles Wichtige auf
dieser Welt geschieht durch Röhren (Kanone, Penis, Schreibfeder), möchte ich
sagen: Alles Wichtige von dieser Welt liegt in Schränken.
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