Freitag, 16. Mai 2014

K03 - Kalebasse, Kalender etc.





Kaktus. Der Kakteenständer ist mir ein ziemliches Rätsel. Das sind doch einige zusammengenagelte Bretter, auf die man einige Kaktustöpfe stellen würde. Oder auch was anderes. Sehr merkwürdig, das eine Illustration wert zu finden. Oder aber so ein Kakteenständer war 1952 der heißeste Scheiß, und ohne so ein Ding war man unmodisch und retro. Wie hat man übrigens 1952 gesagt, wenn jemand oldstyle war: „Ey, du bist ja voll zweiter Weltkrieg“? Aber wahrscheinlich hatte man ein kleines hübsches Wort dafür, z.B. „altbacken“. Altbackener Backfisch, so hat man sich 1952 gedisst.



Kalabreser. Wir erinnern uns bei H34 (Hut) an Hartwig Gottwald und seiner rührigen „Arbeitsgemeinschaft Hut“. Hierzu noch einen Nachtrag. Der SPIEGEL OFFLINE berichtet im Juni 1984, also vor ziemlich genau 30 Jahren, die Zeit des Hutniedergangs sei endlich vorbei. Die Hutmacher verzeichneten ein Umsatzplus von 50%. Udo Lindenberg, Prinzessin Di und Joan Collins seien die stylischen Vorreiter der Hutrenaissance. Fred Meijer, der Nachfolger von Hartwig Gottwald, frohlockte: „Wenn Frauen sich schon jung daran gewöhnen, daß was auf dem Kopf getragen wird, dann bleiben sie eher bei der Stange.“ Wir von der „Arbeitsgemeinschaft Mütze“, wir lachen darüber.



Kalebasse. Entscheidend, ob es sich um eine Kalebasse handelt, ist die Herkunft des Materials: sie muß aus einem Flaschenkürbis hergestellt sein. Traditionell wird ostafrikanisches Bier, etwa das Bananenbier Pombe, in Kalebassen ausgeschenkt. Ebenfalls das sudanesische Merisa, ein Hirsebier. Es wird getrunken, wenn ein böser Geist erscheint, wenn Freundschaften geschlossen werden und Feindschaften begraben werden. Eigentlich wird es immer getrunken. Die Berti, eine kleinere Volksgruppe aus dieser Gegend, werden bisweilen von Habboaba befallen, das ist der böse Geist der Großmutter. Das Gegenmittel besteht aus – genau, Merisabier vermischt mit Zwiebelsaft. Angeblich ist das alles, sogar in Kalebassen, in Berliner hochgentrifizierten Lokalen erhältlich, da werde ich es mal ausprobieren, wenn mich der böse Geist der Großmutter überfällt.




Kalender. Mit einer starken Lupe kann man bei dem abgebildeten Kalender Monat und Jahr erkennen: es handelt sich um den Mai 1934. Allerdings war der erste in der Woche angezeigte 3. Mai kein Montag, sondern ein Donnerstag. Das ist schon eine kleine Nachlässigkeit.Vielleicht hat der Illustrator es im September 1934 gezeichnet, und dann fiel ihm auf, nur für „Mai“ Platz zu haben. – Beim Abreißkalender stimmt wiederum alles – der 1. April war 1934 ein Montag, übrigens auch in diesem Jahr, 2014, wie ich erfreut feststelle. Mein Geburtstagskumpel Thomas Mann hat auch immer Tages-Abreißkalender benutzt, und da ist es für mich natürlich eine Ehrensache. In seinen Tagebüchern beschreibt er, wie er den Kalender aufhängt, die ersten Deckblätter abreißt und damit in Betrieb nimmt. Das schöne Gefühl vergehender Zeit. Ich empfehle die Produkte der Fa. Brunnen, da ist die Typo am schönsten. Auf der Rückseite stehen kurze Texte, die wohl auch nur alle 50 Jahre redaktionell überarbeitet werden: Anekdoten über vergessene Berühmtheiten, veraltete Haushaltstipps, sagenhaft schlechte Witze und am heutigen Tag die Rubrik Frage und Antwort: „Warum heulen Wölfe?“ (Antwort: „um sich gegenseitig und anderen Rudeln Mitteilungen zu machen.“ Wahrscheinlich haben die Wölfe E-Mail erfunden.) – Büroorganisatorisch hat sich für mich ein Buchkalender, aber gebunden und nicht gelocht wie hier, als überlegenes Aufschreibesystem bewährt. Als Aufschreibesystem, wohlgemerkt, nicht als Terminnotierungssystem, weil gegen Outlook und Konsorten kein Kraut gewachsen ist. Ein analoges Aufschreibesystem hat ja den Nachteil, daß es immer nur nach einem Kriterium indiziert ist, also entweder das Datum oder den Sachinhalt. Bei mir sind das Projekte, bei einem Architekten wären es Adressen, was hübsch ist, weil sich die Arbeit dann nach Raum und Zeit sortiert. Dennoch finde ich zur Organisation nach Datum sinnvoller. Man schreibt halt am Freitag auf, was man am Montag machen muß. Hätten die Erbauer des BER das beherzigt und mein schönes rotes Moleskine benutzt, würde man längst von dort nach Madeira, Acapulco und Papeete starten, ein erlesenes Publikum, das keine Reisetaschen, sondern Hüte in die Ablage über den Sitzen legt. - Neue Aufschreibesysteme wie ein iPad haben den außerdem Nachteil, daß Digitales so schnell zu Schall und Rauch und Wolfsgeheule wird. Papier bleibt. Kalender 2014. Brockhaus 1952.

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