Donnerstag, 9. Januar 2014

H01 - Haar






Haar. Lieber Brockhaus – Igelfrisur, das heißt nicht deshalb so, weil ein Igel darin Winterschlaf halten könnte. Auch nicht „Haare irgendwie nach oben“, sondern kurzes Haar in alle Richtungen, wie ein Igel eben. Die abgebildete Frisur ähnelt eher der Coiffure de la Belle Poule, die 1778 kurz in Mode war, als die kleine heldenhafte Fregatte Belle Poule („Schöne Henne“) die um ein Mehrfaches größere englische Arethusa in einer Seeschlacht besiegte. Die Pariser Damen ließen anschließend ihr Haar als aufgewühltes Meer auffrisieren und in die Mitte setzte der Coiffeur ein Holzmodell der Belle Poule. Tapfere kleine Fregatte! – Kindheitserinnerung: damals immer mit zum Friseur Siepmann, wenn meine Mutter eine Auffrischung ihrer Frisur brauchte. Ich bekam dann einen Fassonschnitt, 15 Minuten, meine Mutter eine Dauerwelle, 2,5 Stunden. Also 2 Stunden 15 Minuten Herumsitzen, in Zeitschriften herumblättern und sich unglaublich langweilen. Die riesigen Trockenhauben sahen aus wie Astronautenhelme. Eigentlich würde ich auch mal gern den Kopf daruntergesteckt haben, aber wenn ich anschließend eine Dauerwelle wie meine Mutter hätte, lieber nicht. Ich habe einmal nachgeschaut: in dem Haus, das schon damals ziemlich abgerockt war, residiert unglaublicherweise immer noch ein Frisör. Die Haarsprayschwaden müssen die Räumlichkeiten mittlerweile in eine Tropfsteinhöhle aus Schellack und Vinylacetat verwandelt haben. (Was ich übrigens bisher auch nicht wußte: die Haarspray- und die Schallplattenindustrie sind chemische Geschwister.) – Verblüffend auch: es hieß damals die Ponys in der Mehrzahl, weil damit die Stirnlöckchen gemeint waren. Später singularisierten sich die Ponys dann zum Einzelpony, und genau so hat Frisör Siepmann auch mich immer geschnitten: Fasson mit Pony. - Die Herkunft der Tonsur ist einigermaßen unklar. Man vermutet symbolische Trepanationen (um die Dämonen rauszulassen) oder gar keltische Druiden, kurz: man weiß es mal wieder nicht so genau bzw. gar nicht. Ich finde es wirklich verblüffend, wie viel die Menschheit vergessen, verklüngelt und verjuxt hat. Wäre das nicht auch einmal interessant, ein „Lexikon des Vergessens“? Frau Kathrin Passig? Unnützes Wissen, aber interessant ist hingegen, daß es zwei Sorten gibt: die Tonsur des Apostel Paulus (eher vorn) und die Tonsur des Apostel Petrus (oben, wie im Brockhaus). Die englische Wikipedia sieht das übrigens völlig anders: „The total tonsuring of the head is in imitation of the holy Apostle James, brother of the Lord, and the Apostle Paul, and of the rest.” Hä? –

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